Panzergrenadiere mit neuem BMS im Stresstest

08/02/2021

Die Panzergrenadiertruppe hat es, andere Bereiche des Deutschen Heeres werden es bekommen: das neue Battle Management System – kurz BMS. Zuerst erhielten es die Panzergrenadiere von der Panzergrenadierbrigade 37 aus Frankenberg in Sachsen. Inzwischen wurde es in Übungsszenaren erprobt. Das BMS bietet den Panzergrenadieren eine deutliche Qualitätssteigerung bei der Lagedarstellung und Situationsbewertung und trägt damit nicht nur zum effizienteren Einsatz der militärischen Kräfte, sondern auch zu höherer Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten bei. Das Projekt BMS steht hierbei allgemein im Kontext der Digitalisierung landbasierter Operationen der Bundeswehr.  Es wird kurzfristig die Sicherstellung der Führungsfähigkeit des deutschen Beitrags zur NATO-Speerspitze VJTF im Jahr 2023 ermöglichen. Um was geht es hier genau? Und ist es eine Blaupause für die Digitalisierung der Landstreitkräfte?

Die Panzergrenadiere der Bundeswehr aus Frankenberg in Sachsen haben das neue Battle Management System der Bundeswehr, kurz BMS, in Betrieb genommen. Durch eine offene Softwarearchitektur ermöglicht es die Anpassung an die verschiedenen Fahrzeuge der Bundeswehr. Das neue Gefechtsführungssystem des deutschen Heeres und der deutschen Landstreitkräfte ermöglicht ein aktuelles und sehr genaues Lagebild in nahezu Echtzeit zum präzisen Führen militärischer Operationen. Bediener mit Bediengerät für das BMS im Gefechtsstandfahrzeug Boxer. (Foto: BAAINBw)

Battle Management System von Systematic

Das BMS stellt ein „ebenengerechtes“ Lagebild bereit, das sowohl dem einzelnen Soldaten als auch dem militärischen Führer, jeweils einen ihrer jeweiligen Führungsebene angepassten Überblick über die Lage verschafft. Das BMS erzeugt für den einzelnen Soldaten auf dem Gefechtsfeld eine Darstellung seiner unmittelbaren Umgebung. Dadurch wird ihm die Durchsetzung seines Auftrags und die Orientierung im Gelände deutlich erleichtert, während der verantwortlichen militärischen Führung eine Gesamtübersicht des Einsatzgebiets und der operativen Kräfte generiert.

Mit der Auswahl von SitaWare Frontline als BMS für die VJTF(L) 2023 schafft die Bundeswehr ein solides Fundament für die Digitalisierung der Landstreitkräfte. Das Unternehmen Systematic hat in einem internationalen Wettbewerb und nach umfassenden technischen und operationellen Tests mit der Standardsoftware SitaWare Frontline den Zuschlag erhalten. Damit können die bereits eingeführten Fähigkeiten von SitaWare Headquarters als Führungsinformationssystem für die stationären und verlegefähigen Gefechtsstände der Landstreitkräfte auf Divisions-, Brigade- und Bataillonsebene nahtlos ergänzt werden.

Sven Trusch, Vice President Business Development bei der Systematic GmbH in Köln, beschreibt die einzigartigen Leistungseigenschaften des BMS: „Das SitaWare C4I-Framework bildet das Rückgrat des Systemverbunds, in das zum einen alle Sensoren und Effektoren, zum anderen alle relevanten Akteure auf dem Gefechtsfeld eingebunden werden können. Die Aufstellung der Test- und Versuchsstrukturen sowie der Einführungsorganisation haben bereits ihre Wirkung gezeigt und tragen zur professionellen Vorbereitung und Umsetzung des Projekts bei. Die Nutzung einer Military-off-the-Shelf (MOTS)-Software ist in diesem Bereich in vielerlei Hinsicht ein Novum und mit neuen Chancen und Herausforderungen verbunden. Um das Projekt in dem durch die Politik vorgegebenen engen Zeitrahmen zum Erfolg zu führen, bringt Systematic die Erfahrungen sowie ‚Best-Practice‘ aus vergleichbaren Vorhaben aus über 30 Nationen mit ein. Für die Bundeswehr entsteht so die Möglichkeit, ein Ökosystem auf- und auszubauen, welches den Rahmen für zukünftige Projekte bildet.“ Das System bietet hierfür auf Grundlage der bestehenden Funksysteme eine moderne Führungsfunktionalität mit zeitgemäßer Ergonomie.

Trusch, der darauf verweist, dass die Bundeswehr damit erstmals die Möglichkeit erhält, die Integration der Software in das IT-System der Bundeswehr sowie funktionale Erweiterungen herstellerunabhängig durch Nutzung eines Software Development Kits (SDK) vorzunehmen, gibt zu bedenken, dass es darauf ankommt, die volle Effizienz dieser Strategie zu nutzen, um so diese auch über VJTF(L) 2023 hinaus weiterverfolgen zu können. Denn die Fähigkeiten des SitaWare C4I-Frameworks reichen über die Anforderungen der Landstreitkräfte hinaus, indem es auch spezifische Funktionalitäten für See- und Luftstreitkräfte beinhaltet. Zu diesem Zweck arbeitet Systematic auf globaler Ebene mit renommierten Forschungsinstituten zusammen und führt Studienaktivitäten zusammen mit den Streitkräften durch, um den Einfluss dieser Megatrends auf die Roadmap der Produkte – und damit auf die Führungssysteme der Zukunft – zu analysieren. „Hier werden wir in den nächsten Jahren einige maßgebliche Veränderungen sehen. Als Beispiele seien hier die Verlagerung von kartenzentrischen Führungssystemen hin zu datenzentrischen Systemen zu nennen als auch die Möglichkeiten, die durch immer besser werdende Kommunikationstechnologien entstehen“, so Trusch weiter. Die Hinwendung zur Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) verlangt allerdings weitere große Anstrengungen bei allen Truppenteilen des Deutschen Heeres. Der größten Teilstreitkraft der Bundeswehr wird auf Dauer bei den eingegangenen Ambitionen bei Personal, Reserve, Material/Gerät und Weiterentwicklung viel abverlangt, so der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, gegenüber wt im vergangenen Jahr. Dass das gelingt, so der General weiter, wird die Truppe in allen Fähigkeitsdomänen schnellstmöglich fit gemacht mit Anstrengungen besonders auf den Gebieten Personalstärke, Ausrüstung, Modernisierung und Digitalisierung. Die Messlatte ist hoch, dennoch zeigt sich der Inspekteur des Heeres zuversichtlich darüber, dass das Heer als Kern der Landstreitkräfte für die Dimension Land gut aufgestellt sein wird.

Das neue Battle Management System bildet das Rückgrat für die Digitalisierung der Landstreitkräfte. SitaWare Frontline konnte sich als reifes und einsatzerprobtes Produkt im internationalen Wettbewerb beweisen. hier ein Blick auf SitaWare Frontline. (Foto: Systematic GmbH)

Frontline 3.0

Seit 2019 nutzt die Bundeswehr das BMS SitaWare Frontline von Systematic. Es stellt praktisch die Basis der Digitalisierung im Heer dar. Im Januar 2021 hat der Hersteller mit SitaWare Frontline 3.0 die neuste Version vorgestellt.

Das neue System bietet eine Reihe von Verbesserungen gegenüber dem bereits im Einsatz befindlichen SitaWare Frontline, mit Funktionen, die das Situationsbewusstsein des Kommandeurs und von Kommandanten verbessern sollen – unter anderem ein neues Kartensystem, das umfassende Force Tracking und die geospatialen Werkzeuge liefert und dadurch ein umfassendes Bild des Terrains liefert.

SitaWare Frontline 3.0 verfügt über eine neue, in sich geschlossene Karten-Engine, die mehrere Kartentypen im 2D- und 3D-Format unterstützt. Die Tools zur Geländeanalyse bieten unter anderem die Möglichkeit, „Area-of-Sight“ und „Line-of-Sight“ darzustellen. Dies ist wichtig, sowohl um eigene Sicht- und Wirkungslinien zu berechnen, als auch im Bereich Schutz, um mögliche Positionen feindlicher Scharfschützen oder anderer Stellungen zu identifizieren.

Jesper Annexgaard, Product Manager für SitaWare Frontline erklärt: „Wir haben erkannt, dass die Verkürzung der OODA-Schleife (Observe, Orient, Decide, Act) in einem Konflikt mit einem Gegner oder ‚Beinahe‘-Gegner den Befehlshabern einen operativen Vorteil verschafft und sie in die Lage versetzt, sich in den Entscheidungszyklus des Gegners hineinzuversetzen. Daher haben wir das Benutzermöglichkeiten mit einer klaren und einfach zu bedienenden Oberfläche optimiert. Die integrierte Chat-Funktion ermöglicht es Kommandeuren beispielsweise, die Lageübersicht über die Karte aufrechtzuerhalten und gleichzeitig über das Kampfgebiet hinweg zu kommunizieren, indem sie Nachrichten, Befehlsebenen, Bilder und mehr austauschen.“

Die Pläne und Befehle können direkt auf der elektronischen Karte verfasst werden und Skizzen und Text enthalten, diese können über taktische Funknetze – sowohl IP (Internet Protocol) als auch Non-IP – geteilt werden. Außerdem wurde eine neue Wegepunkt-basierte Routennavigation und -planung eingeführt.

SitaWare Frontline 3.0 nutzt die bewährten SitaWare Tactical Communications (STC)-Softwareprotokolle von Systematic, die das Datenmanagement optimieren und die Übertragung großer Datenmengen über begrenzte Bandbreiten und unter schwierigen Bedingungen ermöglichen.

Das System lässt sich nahtlos in SitaWare Headquarters und SitaWare Edge integrieren und ermöglicht so ein „Top-to-Bottom“ C2 und Situationsbewusstsein auf dem gesamten Gefechtsfeld. Neben SitaWare Frontline nutzt die Bundeswehr auch SitaWare Headquarters im Heer. SitaWare Headquarters steht auf der HaFIS IT-Plattform als aktuelle Ausprägung des MESBw (Mission Enabling Service Bundeswehr) zur Verfügung. Der MESBw wird sowohl zur Lageführung des Einsatzes RESOLUTE SUPPORT als auch für die Planung und Durchführung von Militärischen Evakuierungsoperationen (MilEvakOp) eingesetzt. Komplementiert wird die Fähigkeit durch die Nutzung des Produkts IRIS Forms, welches den meldungsbasierten Informationsaustausch sicherstellt – bei der Deutschen Marine bereits seit rund 25 Jahren.

Wie auch die anderen Mitglieder der SitaWare Suite setzt SitaWare Frontline 3.0 die Design-Philosophie von Systematic fort, die eine offene Architektur und die Verfügbarkeit eines „Software Development Kits“ vorsieht, das die Entwicklung und Integration von Drittanbieter-Applikationen ermöglicht, um den Kunden die Möglichkeit zu geben, die Entwicklung ihrer montierten C2-Fähigkeiten voranzutreiben. Das auf Standards basierende Design erlaubt zudem die Interoperation mit Nicht-SitaWare-Anwendern; die Software ist dann in der Lage, wichtige Informationen – wie etwa Positionsdaten – mit anderen Systemen auszutauschen.

Weitere Features von SitaWare Frontline 3.0 sind ein reaktionsschnelles Display, das sich an die Bildschirmgröße und -ausrichtung anpasst, helle und dunkle Modi, um taktischen Anforderungen gerecht zu werden, sowie die Anpassung der Symbologie an die anderen Mitglieder der SitaWare Suite. „Es gibt ein gemeinsames ‚Look-and-Feel‘ über die gesamte SitaWare Suite hinweg, dies vereinfacht den Übergang zwischen den verschiedenen Systemen und kann dazu dienen, Trainingszeiten und -kosten zu reduzieren“, so Systematics. Die Bundeswehr wird vermutlich noch länger SitaWare Frontline 2.X nutzen, da an ein Upgrade immer weitere Aspekte, wie etwa die Anpassung der Integration, verknüpft sind. Vertraglich könnte sie aber jederzeit auf 3.0 wechseln.

Mit der SitaWare Suite – bestehend aus Headquarters, Frontline und Edge – kann das gesamte Gefechtsfeld abgedeckt werden und jeder Soldat vom Camp oder Gefechtsstand bis hinunter zum Einzelschützen angebunden werden. (Grafik: Systematic)

Stefan Nitschke

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