BK27 erobert den Landbereich

apf

11/03/2021

Der Waffenträger (WaTr) WIESEL 1 ist das Gefechtsfahrzeug der Fallschirmjäger, er zeichnet sich durch seine Lufttransportfähigkeit, hohe Mobilität im Gelände und Feuerkraft aus. Die Fahrzeuge wurden in den Jahren 1990/92 an die Truppe ausgeliefert und damit in die Jahre gekommen. Eigentlich sollte ab 2020 eine neue Generation an Luftlandefahrzeugen eingeführt werden, doch bisher wurde kein Beschaffungsvorhaben eingeleitet. Somit wird der WIESEL 1 auch in Zukunft noch gebraucht. Das Heer hat aufgrund der Truppenreduktion sich schon mit dem Planungsamt der Bundeswehr über die Aussonderung einer Teilflotte WIESEL 1 geeinigt. Diese Fahrzeuge werden „kannibalisiert“, um mit den dadurch gewonnenen Ersatzteilen die restliche Flotte auftragsgerecht zu erhalten. Darüber hinaus sollen die ursprünglich angedachten Fähigkeiten aber auch den heutigen Bedürfnissen und dem Stand der Technik angepasst werden. Das umfasst vor allem die Bereiche Schutz, Ergonomie, Führungssystem, Beobachtungsmittel sowie viele kleinere Maßnahmen. Ziel ist die Nutzung bis mindestens 2030. Als eine der ersten Maßnahmen wurde das System MELLS (Mehrrollenfähiges Leichtes Lenkflugkörper-System) von EuroSpike integriert und ersetzt so das Waffensystem TOW (Tube Launched Optically Tracked Wire Command-link Guided Missile). Derzeit plant das Heer mit 196 Fahrzeugen, Die Verteilung sieht ca. 2/3 MK 20 mm, ca. 1/3 Panzerabwehr Waffenträger WIESEL 1 (MELLS) sowie 16 Fahrzeuge Aufklärung vor.

Die FFG Flensburger Fahrzeugbau GmbH (FFG) wurden mit den Maßnahmen zur Nutzungsdauerverlängerung (NDV) beauftragt. Parallel wird an einem Demonstrator und Prototypen LuWa (Luftbeweglicher Waffenträger) gearbeitet. Die Federführung hat die IABG.

BK27 (Alle Fotos: Rheinmetall)

Bewaffnung

Als Bewaffnung hatte der WaTr WIESEL – wie auch der Schützenpanzer MARDER – die Rheinmetall Waffe Munition (RWM) 20 mm MK 20 Rh 202. Genutzt wird die NATO Standardmunition 20 x 139 mm.

Für den LuWa-Demonstrator wird die RWM Bk27 genutzt. Diese ist seit vielen Jahren in Nutzung und weltweit verbreitet. Bisher allerdings ausschließlich im Bereich von Luft- und Seefahrzeugen. Entwicklung begann 1971 – damals noch bei Mauser (heute Rheinmetall) in Oberndorf. In Nutzung kam sie erstmalig 1979 mit dem Tornado. Es folgte die Nutzung im Alpha Jet, Eurofighter, Saab Gripen A/C und NG. Außerdem gab es eine Airbus Entwicklung für ein C295 Gun Ship unter Nutzung der BK27. Dieses wird bis zu einer konkreten Kundenanfrage aber nicht weiter verfolgt. Auch gibt es von Escribano Mechanical and Engineering (EM&E) ein entsprechendes Door Gun System zur Aufnahme der BK27. Eine Anekdote am Rande, im Eurofighter ist sie aus Platzgründen praktisch kopfüber – also um 180° gedreht – eingebaut worden. Dies zeigt die Flexibilität des Systems.

Als Marine-Leicht-Geschütz im Kaliber 27 Millimeter (27 x 145 mm) kommt sie als MLG 27 auch auf See zum Einsatz. Neben der Deutschen Marine auch in Kuwait, Vereinte Arabische Emirate sowie Brunei.

Insgesamt sind weltweit über 3.500 BK27 (davon rund 150 MLG 27) verkauft worden, u.a. nach Ungarn, Südafrika, Thailand, Österreich, Kanada, Tschechische Republik, Italien, Saudi-Arabien, Spanien, Schweden und Großbritannien. Damit ist sie seit vielen Jahren weltweit in Nutzung, auf den unterschiedlichsten Plattformen. Neben der Waffe gilt dies natürlich auch für die entsprechenden Munitionssorten.

In den 90er Jahren wurde eine Weiterentwicklung für den Lockheed Martin F-35 Lightning II Joint Strike Fighter (JSF) vorgesehen, dann aber doch nicht umgesetzt.

Die Vorteile der BK27 im Vergleich zur Rh 202 sind unter anderem, das größere Kaliber, damit mehr Durchschlagsleistung und eine hohe Reichweite (effektiv bis 2.000 m). Hinzu kommt eine deutlich höhere Kadenz. Diese einläufige Revolverkanone – es handelt sich um eine Fünf-Kammer-Trommel mit Gasdruck – kann deutlich mehr Feuer an den Feind bringen, als die bisher auf Wiesel genutzte MK Rh202 (Kadenz: 800-1.000 S/Min.). Sie bietet Kadenz von 1.700 Schuss/Min. und kann auch eine Begrenzung erhalten, z.B. 300 Schuss/Min. oder sogar Einzelschuss. Die Mündungsgeschwindigkeit wird mit 1.025 m/Sek. angegeben.

Aber auch im Vergleich mit Rohrbündel-Waffen, die besser als Gatling-Kanonen bekannt sind, zeigt sich die BK27 im Vorteil. Verglichen mit einer Gatling-Kanone wie der General Electric M61 VULCAN, die mit höherer Kadenz feuert, ist bei kurzen Feuerstößen bis zu einer Sekunde, wie sie in Gefechtssituationen vorkommen, die Anzahl der abgefeuerten Geschosse pro Salve bei der Mauser BK 27 größer als die der Gatling-Kanonen. Die Ursache dafür ist, dass die meist elektrisch angetriebenen Laufbündel der Gatling-Kanonen ihre volle Drehzahl erst nach einer kurzen Anlaufzeit erreichen. Bei der BK 27 steht dagegen ab dem ersten Schuss die volle Feuergeschwindigkeit zur Verfügung. Dadurch und durch das größere Kaliber kann sie in der ersten halben Sekunde Geschosse mit einer Gesamtmasse von knapp 4 kg verschießen, während es bei der M61 rund 2 kg sind. Klare Vorteile gerade im Niederhalten eines Feindes.

Ein weiterer entscheidenden Vorteil, sie ist sofort verfügbar. Obwohl die Rh 202 älter ist, gibt es für sie derzeit keine Verfügbarkeit. Da auch der SPz Marder eine Nutzungsdauerverlängerung erhält, wird in Oberndorf derzeit ein Re-Engineering durchgeführt. Bis die „neue“ Kanone aber den ersten Schuss abgibt, wird es noch rund zwei Jahre dauern.

Die Waffe wiegt rund 100 kg und ist extrem leicht. Im Verhältnis dazu, die 20 mm Rh 202 liegt bei rund 83 kg. Die BK27 hat aber nur eine Munitionszuführung, kann dafür aber gegurtet und ungegurtete Munition verschießen. Ungegurtete Munition halbiert die Zeit für das Nachladen und verringert die Anzahl an Störungen eines Systemes. Der deutsche Nutzer will derzeit – für die Entwicklung und Tests – auf die reichlich vorhandene Munition im Lager zurückgreifen. Sollte die Entwicklung von Waffe und Turm abgeschlossen sein und die Auswahl getroffen, wird das Thema Munition aber sicherlich noch einmal aufkommen und angepackt werden. Hier gilt es dann zu prüfen, ob für die Erfordernisse der Infanterie neue Munitionsarten entwickelt oder angepasst werden müssen. Derzeit gibt es nur drei Munitionssorten, TP (Target Practice), FAP (Frangible Armour Piercing) und FAPDS (Frangible Armour Piercing Discarding Sabot; zu Deutsch: zerbrechliche, panzerbrechende Treibkäfigmunition). FAP ist eine neue, leistungsfähige und sprengstofffreie Allzweckmunition für Kampf- und Jagdflugzeuge. Als Wirkelemente dienen bei diesem Geschoss ein Penetrator aus einzelnen frangiblen Schwermetall-Pellets und Subprojektile aus Schwermetall. Beim Durchdringen der Zieloberfläche zerlegen sich die Schwermetall-Pellets in mehrere Teile. Beim tieferen Eindringen in die Zielstruktur erhöht sich die Zahl der Fragmente nach dem Kaskadenprinzip. Die FAPDS-Munition wurde entwickelt, um weiche und harte Flug- und Bodenziele zu bekämpfen. Bei der Entwicklung wurde bewusst darauf verzichtet, im Unterkaliber-Projektil Sprengstoff und Zünder zu verwenden. Es ist also ein Wuchtgeschoss, dessen Wirkung am Ziel zunächst allein auf der kinetischen Energie des Geschosses beruht. Dazu wird ein fragiler Schwermetallkern aus Wolfram genutzt.

Vorteile der FAPDS:

  • hohe Mündungsgeschwindigkeit und damit kurze Flugzeit
  • flache Flugbahn und damit vereinfachte Feuerleitrechnung
  • Einsatz gegen Boden- und Luftziele, harte und weiche Ziele
  • umweltfreundlicher, da im Projektil keine Giftstoffe enthalten sind
  • sehr sicher, da das Projektil keinen Sprengstoff enthält (keine Gefahr durch Blindgänger und „Early Bursts“)

Aber es gibt natürlich auch Nachteile, so entsteht an der Waffe ein höherer Verschleiß dank des höheren Gasdrucks. Auch der Munitionsverbrauch ist höher, da die Wirkung nur durch direkte Treffer erzielt wird, es gibt keine Zeit- oder Annäherungszünder.

PELE ist eine neuartige Rohrwaffen-Munitionstechnologie ohne Zünder und Sprengstoff. Die Kombination zweier Materialien unterschiedlicher Dichte ermöglicht eine Zerlegung des Geschosses im Ziel auch ohne Verwendung von Sprengstoff oder Zünder. Die dabei erreichte Durchschlagsleistung, Ansprechempfindlichkeit und Splitterleistung ist höher als bei konventioneller Munition. Auch die Munition stammt von RWM. Die BK27 wird als Luft-Luft-Waffe und in der Marine gegen ungeschützte und leicht geschützte Ziele eingesetzt.

Fazit

Das Bundesamt für Ausrüstung Informationstechnologie und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) beschafft derzeit die Nexter Waffenanlagen P20. Sie ist für leichte bemannte und unbemannte Landplattformen vorgesehen und verschießt das Kaliber 20 x 102 mm. Wenn also die P20 (Lafette mit Waffenanlage ca. 167 kg) den leichten Bereich abdeckt, dann könnte in Zukunft die BK27 die Standardbewaffnung für die mittleren Landplattformen werden. Hier wäre zum Beispiel auch eine Aufwertung der Remote Weapon Station (RWS – zu deutsch FLW) auf BOXER und anderen Fahrzeugen möglich. Der Austausch der FLW ist nicht zu verwechseln mit dem Projekt BOXER mit einer 30 mm Bewaffnung als WIESEL Ersatz für die Jägertruppe.

Bei der BK27 handelt es sich um ein geschlossenes System, das nur ein reduziertes Einbauvolumen und geringes Gewicht benötigt, bei gleichzeitiger hoher Präzision und Leistung. Dadurch kann sie die Forderungen nach einem kleinen und leichten System bei gleichzeitiger verbesserter Effektivität auf einem WIESEL-Nachfolger erbringen.

apf

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