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Fröhlichkeit im Herzen – Großer Zapfenstreich für Angela Merkel | Wehrtechnik

Fröhlichkeit im Herzen – Großer Zapfenstreich für Angela Merkel

06/12/2021

Die winterliche Temperatur auf dem Paradeplatz vor dem Bendlerblock in Berlin lag bei -1 Grad, als Angela Merkel vor die etwa 200 Gäste des Großen Zapfenstreichs trat und eine siebenminütige Rede hielt. Die Bundeskanzlerin hatte sich ausbedungen, vor der militärischen Zeremonie reden zu dürfen. Nur Helmut Kohl hat das vor ihr getan. Neben dem Bundespräsidenten und der Bundestagspräsidentin begrüßte sie schlicht Exzellenzen, Damen und Herren und die „lieben Bürgerinnen und Mitbürger, die allein über die Fernsehbilder dabei waren. Sie empfinde vor allem Dankbarkeit und Demut, sagte sie.

„Demut vor dem Amt, das ich so lange ausüben durfte und Dankbarkeit für das Vertrauen, das ich erfahren durfte. Vertrauen, dessen war ich mir immer bewusst, ist das wichtigste Kapital in der Politik.“ Sie danke dafür. Sie möchte jetzt besonders an die denken, die sich zeitgleich mit all ihrer Kraft der vierten Welle der Pandemie entgegenstemmen, Ihnen allen gebühre höchste Anerkennung. Nach 16 Jahren dürfe sie sich heute verabschieden. Sie warnte dann, dass auch in der Demokratie überall da, wo wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten geleugnet würden und Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet werden, Widerspruch gefordert sei. Toleranz müsse eine Grenze finden. Und dann nannte sie drei aktuelle Herausforderungen: Klimawandel, Digitalisierung und Flucht und Migration. Zur Bewältigung wünsche sie dem neuen Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Regierung alles Gute, sie wolle dazu ermutigen, die Welt immer auch mit den Augen des Anderen zu sehen. Wichtig sei, sich mit „Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit“ zu machen. „So jedenfalls, habe ich es immer für mich gehalten, in meinem Leben in der DDR und erst recht und umso mehr unter den Bedingungen der Freiheit.“ Das wünsche sie allen und im übertragenden Sinne unserem Land für die Zukunft. „Ich danke Ihnen von Herzen.“

Am 2. Dezember verabschiedete die Bundeswehr Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einem Großen Zapfenstreich aus dem Kanzleramt – 16 Jahre lang, von November 2005 bis Dezember 2021, war sie die erste Frau in diesem Amt. (Fotos: Bundeswehr/Sebastian Wilke)

Der Große Zapfenstreich erklingt mit einem Musikkorps sowie einem Spielmannszug. Zwei Züge Begleitkommando unter Gewehr und eine Formation aus Fackelträgern bilden die Begleitung. Auf dem Paradeplatz nahm zudem eine Perlenkette von Fackelträgern Aufstellung. Ein sehr feierliches Feuer. Der Kommandeur des Wachbataillons Berlin, Oberstleutnant i.G. Kai Beinke, leitete das Zeremoniell mit dem Wort ein: „Großer Zapfenstreich angetreten.“

Die Zeremonie beginnt mit dem „York‘schen Marsch“ von Ludwig van Beethoven aus dem Jahr 1808, dessen Klänge gar nicht so militärisch streng klingen. Die Flöten- und Schellenbaumtöne kommen eher beschwingt daher. Dann folgten schon die in allen Medien höchst beachteten und von Merkel selbst ausgewählten Musikstücke einer Serenade: Ihre Auswahl galt als geschmackvoll und dem Anlass angemessen. Allerdings gaben die Militärmusiker unter der Leitung von Oberstleutnant Reinhard Kiauka – er tritt mit den Bundeswehrmusikern auf Einladung der evangelischen Militärseelsorge immer wieder im Berliner Dom auf – zuerst das am schwierigsten zu spielende Stück zum Besten: Nina Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“, ein Song aus dem Jahr 1974 über Hagens unseligen Ausflug nach der Ostseeinsel Hiddensee. Er endet mit: „Du hast den Farbfilm vergessen bei meiner Seel‘, alles blau und weiß und grün und später nicht mehr wahr.“ Alles nicht mehr wahr, das galt damals für den real existierenden Sozialismus der DDR. Der Text von Hildegard Knefs „Für mich soll‘s rote Rosen regnen“ erzählt bekanntlich von neuen Wundern, denen jeder Mensch begegnet und vom Wunsch sich immer wieder fern vom alten neu zu entfalten. „Das Glück sollte sich sanft verhalten und mein Schicksal mit Liebe verwalten.“ Eine Hoffnung, die viele an diesem denkwürdigen Abend der Kanzlerin sicher auch wünschten.

Dann folgte das Kirchenlied „Großer Gott, wir loben dich“ aus dem Evangelischen Gesangbuch wie dem Katholischen Gotteslob. Der Texter Ignaz Franz ist 1719 in Protzau geboren, arbeitete als katholischer Priester in Glogau und Schlawa (Schlesien), wurde Rektor des Priesterseminars in Breslau und bekannte sich zum Geist der Aufklärung. Der Text geht zurück auf das „Te Deum Laudamus“ aus dem 4. Jahrhundert und seine Melodien entstanden über drei Jahrhunderte in Lüneburg, Wien und Leipzig. Im Text des ökumenischen Kirchenliedes werden die Stärke Gottes und die Bewunderung seiner Werke besungen. Der Lesende erfährt, dass Gott Zebaoth ein „starker Helfer in der Not“ ist und über Himmelsheere herrscht, eine militärische Vorstellung, die davon ausgeht, dass auch Soldatinnen und Soldaten dereinst noch eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht hat sich Merkel aber auch an Strophen 9 und 11 orientiert, in denen heißt es: „Sieh dein Volk in Gnaden an … führe es durch diese Zeit, nimm es auf in Ewigkeit.“ In die Corona-Gegenwart passend ist in jedem Fall der Schluss: „Lass uns deine Güte schauen … auf dich hoffen wir allein, lass uns nicht verloren sein.“ Merkel wuchs bekanntlich in einem Pfarrhaus auf, hat aber kaum ganz große Ansprachen gehalten. Doch an dieser Rede konnten die Zuhörenden sehen, auch kurze Ansprachen können einen bleibend tiefen Eindruck hinterlassen.

Nun gab es einen Wechsel: Merkel musste die Zeremonie nicht stehend verfolgen, sondern nahm mit der Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, auf schwarzen Lederstühlen Platz. Der Kommandeur des Wachbataillons, Oberstleutnant i.G. Beinke, meldete: „Ich melde: Großer Zapfenstreich zu Ihren Ehren angetreten.“ Der Akt wurde mit der Übergabe einer Urkunde des Wachbataillons noch unterstrichen. Merkel nahm sie entgegen. Mit einem hoch geschlossenen schwarzen Mantel ohne Schal, aber mit schwarzen Lederhandschuhen verfolgte die Kanzlerin den Ablauf.

Das Protokoll des Zapfenstreiches schreibt vor, dass die Soldaten und Soldatinnen der Ehrenformation mit schwarzem Helm antreten, den sie beim Befehl „Helm ab zum Gebet“ vom Kopf und vor die Brust nehmen. Dann erklingt das Lied „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart.“ Das fromme Lied des Pietisten Gerhard Tersteegen aus dem Jahr 1750 hat etwas Ergreifendes und wird oft bei Trauungen gewünscht. In das militärische Ritual gelangte es während der napoleonischen Befreiungskriege 1813. Zu diesem Teil des Zapfenstreichs haben sich alle von ihren Plätzen erhoben. Merkel schlägt andächtig die Augen nieder.

Nachdem der Befehl „Helm auf“ gegeben ist, erklingt die Nationalhymne und danach meldet Oberstleutnant Beinke das Ende des Großen Zapfenstreichs. Es folgt unter Trommelwirbel der Ausmarsch, den nun auch Angela Merkel antreten muss. Von den Feldjägern in einer schwarzen Limousine abgeholt, winkte sie – und sie lächelte tatsächlich: Alles gut gemacht, Frau Bundeskanzlerin.

Autor: Von Roger Töpelmann, bis 2020 Sprecher des Evangelischen Militärbischofs, er lebt in Berlin.

Stefan Nitschke

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