„Die Möglichkeit der schnellen Verlegung von Einsatzkräften ist wesentlich für die GSG 9“

apf

02/03/2022

Interview mit Jérôme Fuchs, Kommandeur der GSG 9 der Deutschen Bundespolizei

wt: Sehr geehrter Herr Fuchs, Sie waren früher Gebirgsjäger bei der Bundeswehr. Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen den Anforderungen an einen Soldaten und einen Polizisten?

Fuchs: Mit Gemeinsamkeiten würde ich mich leichter tun, aber Sie fragen nach Unterschieden.

Ich denke die rechtliche Bewertung eigenen Handelns wird bei der Polizei noch mehr betont. Zum Beispiel die strikte Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Insofern sind die Anforderungen an „rechtssicheres Handeln“ bei der Polizei sehr hoch.

Jérôme Fuchs, Kommandeur der GSG 9 der Deutschen Bundespolizei. (Alle Fotos: GSG 9)

wt: Gibt es bei Ausbildung, Training, Material oder auch Beschaffungserfahrungen einen Austausch mit internationalen polizeilichen und militärischen Spezialkräften? Wenn ja, wie sieht dieses konkret aus?

Fuchs: Die GSG 9 steht national und international in einem engen Austausch.

Nationale und auch internationale Spezialeinheiten sind häufig zu Gast in unserer Dienststelle wie auch wir die Möglichkeiten des Austausches innerhalb Deutschlands als auch im Ausland pflegen. Dies beinhaltet den informatorischen Austausch zu Belangen der Aus- und Fortbildung als auch die praktische Teilnahme an gemeinsamen Trainings bis hin zu gegenseitigen Hospitationen.

Im Rahmen dieses Austausches werden auch Führungs- und Einsatzmittel gegenseitig vorgestellt und Informationen im Rahmen des praktischen Gebrauchs geteilt.

wt: Was sind in Europa die „bevorzugten“ Kooperationspartner, und warum?

Fuchs: Seit dem Jahr 2017 führt die GSG 9 innerhalb des ATLAS Netzwerkes die „Expert Group Naval“, einen Zusammenschluss von 10 Spezialeinheiten, welche ihre maritimen Fähigkeiten austauschen und bei gemeinsamen Übungen bündeln. Zu diesen Einheiten zählen NI Schweden, DELTA Norwegen, KARHU Finnland, DSU Belgien, DSI Niederlande, VIKING Island, GIS Italien, UEI Spanien.

Weiterhin nehmen wir an ATLAS Workshops anderer Expert Groups teil, welche von anderen europäischen Spezialeinheiten geführt werden, um die Kompetenz zu erhalten oder zu fördern.

Zur französischen Spezialeinheit GIGN pflegt die GSG 9 derzeit ein enges Verhältnis, resultierend daraus sind ebenfalls wechselseitige gemeinsamen Austausche bei Trainings und Übungen.

wt: Sie waren Vorsitzender des Atlas Network (European Special Intervention Units). Was ist das Ziel und wo gibt es noch Verbesserungsbedarf in Europa? Was bedeutet das ggf. für die GSG9 und die Arbeit über Grenzen hinweg?

Fuchs: Die GSG 9 ist eines der Gründungsmitglieder des ATLAS Kooperationsverbundes, welcher nach den Anschlägen von 9/11 im Jahr 2001 gegründet wurde. Es handelt sich um einen Verbund von 38 Spezialeinheiten Europas, in dem Einsatzverfahren abgestimmt und gemeinsam weiterentwickelt werden. Vom Jahr 2013 bis 2017 übernahm die GSG 9 die Präsidentschaft dieses Zusammenschlusses, welche im 4-Jahres-Rythmus zwischen den beteiligten Einheiten wechselt.

Der Austausch von Fachwissen in gemeinsamen Besprechungen, Trainings und Übungen steht dabei im Vordergrund. Dies betrifft die unterschiedlichen Führungsebenen, die operativen Einsatzkräfte als auch den Bereich der Einsatzunterstützung.

Das ATLAS Netzwerk ist belastbar, der gemeinsame Wille zum Tausch von Wissen und die gemeinsame Unterstützung ist groß. Ein Resultat war der erste gemeinsame ATLAS-Einsatz der GSG 9 im Rahmen der Fahndung nach einem belgischen Soldaten. Neben der belgischen Spezialeinheit DSU waren auch die luxemburgische Spezialeinheit USP, die niederländische Spezialeinheit DSI und die GSG 9 der bei der Durchsuchung des Waldstücks eingesetzt.  Dies ist ein erfolgreiches Beispiel für das Funktionieren des ATLAS Netzwerks.

wt: Bei militärischen Beschaffungen wird aufgrund der kleineren Flotten immer öfters eine bi- oder multinationale Beschaffung angestrebt, gibt es solche Tendenzen auch bei der Polizei?

Fuchs: Es gibt beispielsweise im ATLAS Rahmen einzelne projektbezogene Beschaffungen von Einsatzmitteln, auf die dann verschiedene Einheiten zurückgreifen können. National gesehen könnten Beschaffungsvorhaben deutlich enger abgestimmt und koordiniert werden.

wt: Die Bundespolizei will eine neue Flotte an Hubschraubern beschaffen, welche Bedeutung haben die Hubschrauber für die Einsatzfähigkeit der GSG9, und welche Fähigkeitsanforderungen haben Sie an die Hubschrauber?

Fuchs: Die Bundespolizeifliegergruppe hält ständig mehrere Polizeihubschrauber einschließlich der Piloten in Bereitschaft, um die schnelle Verlegung der Einsatzkräfte der GSG 9 zu gewährleisten.

Die Möglichkeit der schnellen Verlegung von Einsatzkräften ist wesentlich für die Aufgabenwahrnehmung der GSG 9, um im gesamten Bundesgebiet und auch im Ausland ihre Aufträge wahrnehmen zu können. Bedeutend sind dabei die Aufnahme von Einsatzkräften einschließlich ihrer Ausrüstung unter Nutzung einer größtmöglichen Reichweite.

Einer der Super Puma der Bundespolizei. Hier erreicht die BFE erreicht den Einsatzraum mittels Hubschrauber. (Foto: BPOL FLugdienst)

wt: In welchen materiellen Bereichen sehen Sie den größten Bedarf an Weiterentwicklungen oder Neubeschaffungen, um Fähigkeitslücken zu schließen?

Fuchs: Der größte Bedarf besteht im Bereich der Digitalisierung. Im Speziellen ist es wichtig die Führungs- und Einsatzmittel der Polizei an das digitale Zeitalter anzupassen und dabei eine praxisgerechte Nutzung zu gewährleisten.

wt: Gewehre im Kaliber .300 BLK werden gerade im Bereich der Spezialkräfte eingesetzt. Warum haben gerade diese einen Bedarf an entsprechenden Waffen? Haben Sie noch Bedarf an anderen, neuen Fähigkeiten im Bereich Langwaffen?

Fuchs: Das Kaliber .300 BLK ergänzt die Bandbreite bereits vorhandener Waffen und schließt, auf Grund der effektiven Energieabgabe, mögliche Fähigkeitslücken.

In Nutzung bei der GSG 9, die Black Hornet-PRS von FLIR. (Foto: FLIR)

wt: Welche Bedeutung haben Drohnen für die Operationsfähigkeit der GSG9 und welche Anforderungen an diese Luftfahrzeuge haben Sie?

Fuchs: UAS sind ein wichtiger Bestandteil für die taktische Aufklärung und Einsatzunterstützung bei der GSG 9. Sie werden eingesetzt, wenn andere technische Mittel keinen oder nur einen begrenzten Erfolg versprechen.

Die UAS der GSG 9 entsprechen den hohen Anforderungen, um das gesamte Einsatzspektrum der GSG 9 abdecken zu können.

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