ISR-Fähigkeiten für das moderne Gefechtsfeld

apf

26/09/2022

Am 19. September fand im bayrischen Finning das Event „tukom Route 2022“ statt. Seit 2006 gibt es die Veranstaltung – mit Ausnahme der Corona-Jahre – bei dem die tukom GmbH für Telemetrie und Kommunikation aus Schondorf vor allem ihre Partner und deren (neue) Fähigkeiten vorstellt. Neben Vorträgen wurden auch Demonstratoren durchgeführt. Insgesamt folgten rund 50 internationale Gäste aus aller Welt (u.a. USA, ISR, BEL, ITA, etc.) der Einladung. Begrüßt wurden sie durch die beiden Geschäftsführer Jürgen Kallup und Matthias Brechmann. „Die tukom route dient dem Austausch und dem Networking zwischen unseren Kunden aus der Industrie sowie Anwendern mit uns und unseren internationalen Partnern“, so Matthias Brechmann.

Zu Beginn zeigte gleich Daniel Jerdan von L3Harris auf, welchen erheblichen Einfluss ISR (Intelligence, Surveillance and Reconnaissance) in der Vergangenheit auf die Technologie sowie die Operationsführung genommen hat. Und das bei der taktischen Kommunikation (Sprache & Daten) sowie Satelliten-Kommunikation (SatCom). Die Gretchenfrage sei daher, wie eine schnelle, stabile und sichere Kommunikation jederzeit gewährleistet werden kann. Also, wie bringe ich die Daten/Informationen von fliegenden Plattformen – bemannt und unbemannt – schnell und sicher zum Nutzer/Analysten/Kämpfer am Boden? Dazu hat L3Harris zusammen mit dem amerikanischen Verteidigungsministerium die Common Data Link (CDL) Standards entwickelt, die auch STANAG 7085 übereinstimmend sind. Ein wichtiger Aspekt dabei sind moderne und sichere Datalinks.

Bei der ISR auf dem modernen Schlachtfeld geht es in erster Linie darum, das Situationsbewusstsein der Entscheidungsträger zu verbessern. Diese Entscheidungsträger können auf vielen Ebenen anzutreffen sein, sei es ein Infanterist, der die Entscheidung trifft, die nächste Mauer zu überwinden, ein Angriffstrupp/Spezialkräfte, die von einem Hubschrauber abgesetzt werden, ein Kompaniechef in seinem Gefechtsstand oder ein anderer Kommandeur.

Wenn diese Personen Zugang zu den erforderlichen sachdienlichen und rechtzeitigen Informationen von den Sensoren haben, können sie besser informierte Entscheidungen treffen. Im Informationszeitalter müssen daher alle Sensoren in ein Netzwerk eingebunden werden, um einen besseren und schnelleren Entscheidungszyklus zu ermöglichen.

Dank der Sensoren – zum Beispiel einer Drohne über dem Angriffstrupp – kann der Bildschirm des SF/Infanteristen anzeigen, was sich hinter der nächsten Wand befindet. Wenn Spezialkräfte per Fast Rope abgesetzt werden, das erste was sie wissen müssen ist: wo bin ich, und wo muss ich hin, bzw. wo ist mein Ziel/Zwischenziel. Aus der Luft kann dies dank ISR-Sensors und einer Verlinkung schnell umgesetzt werden. Dazu können Drohnen oder auch bemannte Plattformen eingesetzt werden.

Dank der zunehmenden Anzahl an Sensoren und der Verlinkung wird der ISR-Cycle immer kürzer, aktuell unter <10 Minuten. Auch der Ansatz an eingesetzten Effektoren (Granaten, Raketen) und damit der Nachschub, kann minimiert werden, da auch das Battle Damage Assessment als Teil des Cycle schneller und genauer durchgeführt werden kann. „Die Kriegsführung im 21. Jahrhundert findet im Radio Frequency-Spektrum statt, und die Nutzung, das Überleben und die Kontrolle dieses Spektrums sind jetzt Teil der Geländeanalyse“, so Daniel Jerdan. Das Ziel ist „ein Netzwerk“ aufzustellen, an das alle – Land, Luft, See – angebunden sind und dadurch Zugriff auf alle Sensoren haben, nach dem Prinzip need to know. Aus Sicht von L3harris ist Net-T die Lösung. Net-T ist der Knotenpunkt in alle Richtungen, und erlaubt die Flugplattform als Relais zu nutzen, z.B. um Luftfahrzeuge von einem Joint Terminal Attack Controller (JTAC) an einen anderen zu übergeben. Es handelt sich um eine Zwei-Wege-Kommunikation. Auch ist es die Grundlage für Manned-Unmanned Teaming (MUM-T). Das tragbare Funkgerät TACTICAL NETWORK ROVER 2e (TNR 2e) unterstützt sowohl analoge als auch digitale Verbindungen und bidirektionale Datenverbindungen für die meisten Nutzer am Boden. Dieses digitale Funkgerät mit niedrigem SWaP-Wert kombiniert Video-Downlink-Empfängerfunktionalität mit Breitband-IP-Netzwerkfähigkeit.

Bisher war die Annahme, mit der Struktur der Streitkräfte für die High-Intensity Einsätze (z.B. Landes- und Bündnisverteidigung) auf NATO-Ebene kann ich auch Low-Intensity Einsätze in Afrika, etc. umsetzen. Doch viele Nutzer wollen heute ihre high-end Sensoren und Plattformen – z.B. F-35 – nicht in UN-Einsätzen einsetzen, weil dort ein großer Anteil chinesischer Truppen teilnimmt, oder in Syrien, wo der Luftraum mit russischen Plattformen und Sensoren geteilt werden muss. Beispielsweise dürfen deutsche Eurofighter im Rahmen des NATO Baltic Air Policing gar nicht ihr ganzes Potential zeigen, da die Russen ständig zuschauen.

Haigh-Farr aus den USA stellte seine Electronically Steerable Array (ESA) Technologie vor. Die Firma bietet Antennen für missionskritische Anwendungen für alle Arten von Plattformen und den abgesetzten Soldaten an. Im Gesamtportfolio mit einer Frequenzbreite von 40 kHz bis 40 GHz. ESA eignet sich für Anwendungen aus der Luft, bei denen mehrere gleichzeitige, unabhängige Strahlen (Beams) erforderlich sind, oder für Anwendungen, die einen oder mehrere hochbewegliche Strahlen erfordern. So werden pro Beam zwei Antennen eingesetzt. Diese Lösung kann als stand-alone ESA, in einem POD, oder auf einer dedizierten Montage oder Tripod genutzt werden. Ab 2024 will Haigh-Farr die Lösungen auch im Ka-/Ku-Band anbieten, bisher L- und C-Band. ESA bietet eine flexible Technologie in einem kleinen, aber leistungsstarken Paket für eine einfache Konfiguration. Sie kann auf einer Frequenz empfangen und das Signal auf einer anderen Frequenz an den Ausgängen gleichzeitig bereitstellen. Zudem ist die Programmierbarkeit mehrerer Ausgänge und mehrere Beams gleichzeitig gegeben. Mit drei ESA-Modulen kann auch GPS-Tracking umgesetzt werden.

ESA-Antenne von Haigh-Farr auf Tripod. (Foto: AF)

Silvus Technologies aus Kalifornien präsentierte seine Lösungen für IP MESH Netzwerke für taktische Anwendungen, die auf MIMO (Multi-in Multi-Out) und MANET (Mobile Adhoc Network) Technologie basieren. Dazu nutzen alle Funkgeräte mehrere Antennen. Dank der MIMO-Technologie kann Silvus das Optimum aus den Anforderungen nach Breitbandigkeit, Reichweite und Robustheit herausholen, in einem Gerät. Seit 2011 bietet die Firma MIMO-Geräte an, und seit 2021 MANET-Funkgeräte mit RX Eigen-Beamnulling. Die Technologie schützt seit 2019 auch gegen Jamming und wird aktuell in der Ukraine eingesetzt. Die Härtung gegen Einflüsse von außen erfolgt durch die Anwendung von fünf Layern: Transmit Power Control (jedes Funkgerät passt seine Sendeleistung automatisch an und nutzt nur das notwendige Minimum an Stärke – power control verspricht eine geringere Detektierung – u.a. erst auf einer viel größeren Entfernung durch den Gegner), Noise-like Signalling, Directional Radiation (gerichtete 360° Abdeckung, jedoch in 24 Micro-Sektoren (rd. 15°). Dadurch wird der Beam nicht in allen Sektoren genutzt und damit nicht detektierbar), Interference Cancellation (Vorwärtsknoten bewegt sich vom CP zum gegnerischen Störsender) sowie Interference Avoidance. Wobei Layer 1 bis 3 der LPI/LPD-tarnung dienen und Layer 3 bis 5 der Anti-Jam Härtung. In Zukunft werden die Geräte durch maschinelles Lernen intelligenter gemacht und verbessern noch einmal den Schutz. Die aktuellen Funkgeräte sind das SC4400E (20W; MIMO 4×4), SC4200EP (10W, MIMO 2×2) sowie SL4200 (1W, MIMO 2×2). Diese werden auch durch Spezialkräfte westlicher Länder eingesetzt.

Mehr zur MIMO-Technologie gibt es hier: https://silvustechnologies.com/why-silvus/technology/introduction-to-mimo/

Triad RF präsentierte seine Technologien zu Erhöhung der Reichweite von Funkgeräten sowie den CubeSat Low Earth Orbit Satellites in S-/X-Band mit 8W Amplifier. Das Hauptaugenmerk liegt aber auf der Integration von ISR-Funklösungen, inklusive Funkgerät, Verstärker, Stromversorgung, Kühlung, Filter, Verkabelung, etc. – alles in einer kompakten, leichten und platzsparenden Bauform. Triad High Power Radios (THPRs) sind eine All-in-One Lösung als Standard, in einer Box, um die Notwendigkeit der Integration durch den Kunden zu eliminieren. High-Power MIMO Funkgeräte auf modularer Basis, bis zu 50W mit bi-direktionalem Verstärker für L-, C- und S-Band, mit bis zu vier Kanälen. Weitere Anwendungsgebiete sind Amplifier für C-UAV Systeme mit 20 MHz bis 6 GHz 30W TX oder C-Band 4,4 GHz bis 5 GHz 50 W für Troposcatter, bi-directional Verstärker für verschiedene Bands (u.a. S-, C-).

Israel Aerospace Industries Ltd. (IAI) zeigte sein Anti GNSS (Global Navigation Satellite System) Jamming System. Ganz aktuell zeigt sich die Problematik in der Ukraine, aber auch In Europa, bspw. Finnland, wo Russland auch zivile (Luftfahrt-)Systeme stört. IAI bietet mit Mini-ADA und ADA-O zwei Varianten an. Mini-ADA für Land-Anwendungen und wenn kompakte Bauweise gefragt ist, in simultaner L1/L2 Protection, wiegt 1,3 kg und hat die Maße 110x110x71 mm. ADA-O wiegt 8,5 kg, ist 310x310x100 mm groß und ebenfalls für Land-Anwendungen. Ähnliche Lösungen bietet IAI für See- und Luftfahrzeuge an, wobei bei Luftfahrzeugen die Antenne und ADA getrennt sind. ADA beseitigt den Jammer-Strahl, hat ein eigenes, eingebautes GPS, schützt neben GPS- auch das GALILEO-Signal. Unterstützt auch den SAASM/P(Y) Code. Das System wird u.a. im israelischen F-16 eingesetzt.

IAI’s Anti GNSS Jamming System ADA-O. (Foto: AF)

DTS aus den USA zeigte, wie Data Aquisition dank Sensoren erfolgen kann. Hier werden Sensoren u.a. in Gefechtshelmen (Blast), Fahrzeugen oder Mundschutz (Beschleunigung des Kopfes beim Sport/Aufprall) integriert. Die Sensoren können eine Vielzahl an Daten erfassen, u.a. Schock, Vibration, Druck, Kraft, Temperatur, usw. DTS bietet Komplettlösungen für dynamische Tests zur Datenerfassung, Datenlogger und die Sensoren (hoch schocktolerant, miniaturisiert, Universal DAS Unterstützung, etc.) an. Diese kommen bei Flugtests (bemannt und unbemannt, eVTOL), Explosionsschutz oder Kampfmittelprüfung zum Einsatz. Die Sensoren zur Datenerfassung und Datenaufzeichnung sind dabei SWaP optimiert, modular, skalierbar, und Schockresistent von 100 bis 25.000 g. Es werden drei Größen angeboten. Der Mundschutz kam schon bei Spezialkräften zum Einsatz, andere Sensoren um die Kräfte im Rotorkopf einer CH-53 zu messen, oder die Einschlagkraft einer Rakete (LFK), die Durchschlagskraft von Patronen/Granaten. Auch können komplexe Kabelverlegungen in Luftfahrzeugen und ihrem Verhalten in der Flugerprobung sowie die Anbindung einer großen Anzahl an Sensoren an eine zentrale Datenverarbeitungsstelle, oder Vibrationen neuer Effektoren an einem Luftfahrzeug so erfasst werden. Die SLICE6 Air Data Acquisition Unit (41×57 mm, 50 gr.) kann an analoge Sensoren (Switch, Rekorder, etc.) angebunden werden, hinzu kommt Ethernet und Strom 9-36 VDC (<3W Verbrauch). Das neuste Produkt ist TSR Air, ein Mini Data Logger mit einer „built in 6 Degree of Freedom“. Dort ist bereits der Sensor integriert, um die Verkabelung obsolete zu machen. Die Batterie reicht für rund 100 Tage Aufzeichnung.

Data Aquisition am Beispiel eines Mundschutzes. Damit lässt sich die Wirkung auf Kiefer und Kopf nachvollziehen. (Foto: AF)

ORBIT Communications aus Israel zeigte sein 3D-InterCom System. Dieses kann z.B. in einem Hubschrauber zur Anwendung kommen und soll das Situationsbewusstsein der Besatzung, die Sicherheit von Maschine und Crew sowie die Überlebensfähigkeit des Waffensystems deutlich erhöhen. So hört der Pilot seine beiden Funkgeräte jeweils auf einem anderen Ohr, die beiden überschneiden sich nicht, aber Warnmeldungen des Luftfahrzeuges haben immer Priorität und für den Augenblick werden die Funkkreise unterdrückt. Auch hört der Pilot aus welcher Richtung eine Rakete anfliegt und kann sich so schneller orientieren und reagieren. Auch werden bei einer Landung Höhe und andere Parameter angesagt. Der integrierte 3D-Algorythmus sorgt für die Steuerung der Geräusche und Meldungen aus einer bestimmten Richtung. Das Combat 3D Audio Management System wird Bestandteil der nächsten Generation der Avioniksuite des F-16 Kampfflugzeuges sein, um ein klares 360-Grad-Audioerlebnis zu ermöglichen, das den Piloten erhebliche Vorteile bietet, darunter ein besseres Situationsbewusstsein und eine geringere Arbeitsbelastung und Ermüdung.

Das 3D-InterCom System von ORBIT Communications verbessert das Situationsbewusstsein von Crews und erhöht die Sicherheit und Überlebensfähigkeit. (Foto: AF)

„Mit diesen und anderen Partnern liefert tukom seit 2006 erfolgreich Lösungen für missionskritische Kommunikationssysteme für Luft- und Raumfahrtsysteme und Verteidigung. Unsere Partner sind in ihren Bereichen technologisch führend und arbeiten vertrauensvoll mit uns zusammen, um Kundenanforderungen bestmöglich zu erfüllen“, so Matthias Brechmann.

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