Der Aufstellungsappell wird von vielen Abordnungen begleitet. Insgesamt sind
rund 800 Soldatinnen und Soldaten in Vilnius angetreten.
Foto: Bundeswehr/Mario Bähr
Am 22. Mai 2025 markierte die litauische Hauptstadt Vilnius einen sicherheitspolitischen Meilenstein: Mit einem feierlichen Appell auf dem Kathedralenplatz wurde die Panzerbrigade 45 der Bundeswehr – bekannt als „Brigade Litauen“ – offiziell in Dienst gestellt. Damit wird zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein vollständiger deutscher Großverband dauerhaft im Ausland stationiert.
Symbol der Bündnissolidarität
Die dauerhafte Stationierung der Brigade steht für mehr als nur eine militärische Präsenz – sie ist ein strategisches Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung und zur sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands in Osteuropa. Die Brigade ist Teil der deutschen Antwort auf die verschärfte Bedrohungslage infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Sie stärkt die NATO-Ostflanke und untermauert die Glaubwürdigkeit der Abschreckung im Baltikum.
Begleitet wurde der Appell von hochrangigen Vertretern aus Deutschland und Litauen: Bundeskanzler Friedrich Merz, Verteidigungsminister Boris Pistorius, der litauische Präsident Gitanas Nausėda und Verteidigungsministerin Dovilė Šakalienė unterstrichen in ihren Ansprachen die historische Tragweite des Moments.
Merz erklärte: „Der Schutz von Vilnius ist der Schutz von Berlin.“
„Wer einen Verbündeten bedroht, muss wissen, dass das gesamte Bündnis gemeinsam jeden Zentimeter des NATO-Territoriums verteidigen wird.“
Damit unterstrich der Bundeskanzler das sicherheitspolitische Prinzip der Unteilbarkeit von Bündnissolidarität – ein klares Signal an potenzielle Aggressoren, aber auch an die baltischen Partner. Präsident Nausėda sprach von einem „neuen Kapitel europäischer Sicherheitsgeschichte“ und einem sichtbaren Zeichen gelebter Solidarität.
Näher an der Frontlinie als je zuvor
Die geografische Lage der Brigade unterstreicht den Ernst der sicherheitspolitischen Lage. Stationiert im Raum Rūdninkai südlich von Vilnius und mit weiteren Einheiten in Rukla, operiert die Panzerbrigade 45 in unmittelbarer Nähe der Suwalki-Lücke – jenem strategischen Korridor zwischen Polen und Litauen, der das Baltikum mit dem restlichen NATO-Gebiet verbindet und zwischen dem russischen Kaliningrader Gebiet und Belarus liegt. Sollte es zu einem bewaffneten Konflikt kommen, wäre die Brigade eine der ersten Einheiten im Einsatz – ein Vorposten an der sensibelsten Schnittstelle des Bündnisses.
Die Bedeutung dieser Region wird auch durch wiederholte Aussagen aus Moskau unterstrichen, in denen das Baltikum – explizit oder implizit – als Teil eines historischen russischen Einflussraums dargestellt wird. Solche geopolitischen Narrative tragen zur strategischen Unsicherheit bei und verstärken auf NATO-Seite die Einschätzung, dass eine sichtbare, dauerhafte Präsenz notwendig ist, um glaubwürdige Abschreckung sicherzustellen.

Integration in Litauen: Militärisch – und gesellschaftlich
Die Brigade wurde zum 1. April 2025 offiziell aufgestellt und soll bis Ende 2027 ihre volle Einsatzbereitschaft erreichen. Sie umfasst etwa 4.800 Soldatinnen und Soldaten sowie rund 200 zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unterstellt ist sie der 10. Panzerdivision, zu ihren Truppenteilen gehören unter anderem das Panzerbataillon 203 aus Augustdorf und das Panzergrenadierbataillon 122 aus Oberviechtach.
Ein besonderes Merkmal der Stationierung ist ihre Nachhaltigkeit: Die Bundeswehr plant, nicht nur Truppenteile dauerhaft zu verlegen, sondern auch die Lebensbedingungen für Familien zu schaffen. Das bedeutet: Schulen, Wohnungen, soziale Infrastruktur – die deutsche Militärpräsenz in Litauen soll langfristig funktionieren, auch jenseits der Übungsplätze. Das schafft nicht nur Verlässlichkeit im Bündnis, sondern erhöht auch die Einsatzbereitschaft und Moral der Truppe.
Infrastruktur als Schlüssel zur Einsatzbereitschaft
Die dauerhafte Stationierung der Brigade 45 erfordert umfangreiche Investitionen in die militärische Infrastruktur Litauens. Im Fokus stehen insbesondere der Ausbau des Truppenübungsplatzes Rūdninkai, der für die spezifischen Anforderungen einer mechanisierten Brigade ertüchtigt wird, sowie die Errichtung neuer Unterkunfts- und Führungsgebäude.
Litauen investiert nach eigenen Angaben rund 180 Millionen Euro in die militärische Infrastruktur, Deutschland wird mit weiteren 110 Millionen Euro beteiligt sein. Geplant sind Kfz-Hallen, Instandsetzungseinrichtungen, Munitionslager, Verbindungsstraßen und Wohnquartiere für Familien. Bereits jetzt entstehen erste Unterkünfte in Rūdninkai und Rukla, wo auch das litauische Großmanöverzentrum genutzt wird.
Ziel ist es, der Brigade nicht nur militärische Handlungsfähigkeit, sondern auch langfristige soziale und familiäre Integration zu ermöglichen – ein Kernaspekt moderner Truppenstationierung im Ausland.
Weichenstellung für die Zukunft der Verteidigung
Mit der Brigade Litauen wird die bisherige Präsenz im Rahmen der Enhanced Forward Presence (eFP) weiterentwickelt. Statt rotierender Kontingente entsteht ein fester Pfeiler der Landes- und Bündnisverteidigung vor Ort. Die Bundeswehr nimmt damit eine Vorreiterrolle innerhalb der NATO ein – nicht nur in Bezug auf Truppenstärke, sondern auch hinsichtlich logistischer und infrastruktureller Verantwortung.
Die Entscheidung zur dauerhaften Stationierung wurde bereits 2023 im Zuge des NATO-Gipfels in Vilnius bekannt gegeben. Die schnelle Umsetzung trotz infrastruktureller Herausforderungen zeigt den politischen Willen Berlins, sicherheitspolitische Führungsverantwortung in Europa zu übernehmen.
Ein strategisches Signal – und eine reale Verstärkung
Der feierliche Appell in Vilnius war somit nicht nur ein formaler Akt, sondern ein sichtbares Zeichen: Deutschland steht fest an der Seite seiner östlichen Partner. Die Panzerbrigade 45 ist dabei nicht nur Symbol, sondern Substanz – ein einsatzbereiter Verband mit konkreten Fähigkeiten, ausgebildet für das, was im Ernstfall zählt: Verteidigung, Abschreckung und Handlungsfähigkeit.
