Die Schlüsselrolle des amphibischen Brücken- und Fährenfahrzeugs M3
Die Bedeutung der unmittelbaren Pionierunterstützung steigt mit der Notwendigkeit, Landstreitkräften mit einem Höchstmaß an taktischer Beweglichkeit auszustatten. Der seit 33 Monaten andauernde Krieg in der Ukraine zeigt, dass diese Fähigkeit unter geografisch schwierigen Gegebenheiten, unter nahezu allen klimatischen Bedingungen, bei unzureichender Infrastruktur sowie über natürliche und künstliche Hindernisse hinweg, wenn notwendig auch unter gegnerischer Waffenwirkung, gewährleistet sein muss. Die Nato zieht hieraus kontinuierlich ihre Lehren für die Fortentwicklung ihrer eigenen pioniertechnischen Kapazitäten. Hierbei gilt es, die in vielen Bereichen seit Jahren erkannten Fähigkeitsdefizite durch konsequente Modernisierung und Anpassung zu beseitigen. Brückensysteme sind hiervon in besonderem Maße betroffen.
Die Verfügbarkeit von militärischen Brückensystemen in ausreichender Zahl nimmt Einfluss auf die taktische Beweglichkeit moderner Landstreitkräfte. Die Einsatzrealität im Zuge des Ukrainekriegs zeigt das klar und deutlich. Die Nato zieht daraus ihre Lehren mit der Beschaffung neuer Systeme – mit dem Auffüllen längst ausgedünnter Inventarien. Projiziert auf die Pioniertruppe des Deutschen Heeres bedeutet dies einen erheblichen Nachholbedarf, denn das Fehl an militärischen Brückensystemen offenbart sich nicht erst seit dem Beginn der Vollinvasion in der Ukraine. Nur eine Geräteausstattung mit hinreichenden Bestandszahlen und einem hohen Grad an Modernität kann sicherstellen, dass die Kampftruppe über ein Höchstmaß an taktischer Beweglichkeit verfügt. In den noch aktiven Pionierverbänden des Heeres finden sich die bewährten Brückensysteme Amphibie M3, Faltschwimmbrücke (FSB2) und Faltfestbrücke. Diese bilden die Kapazitäten für das Überwinden breiter Gewässer. Der Weiterentwicklung und dem Ausbau der Fähigkeiten zum Überwinden von breiten Gewässern fällt zukünftig eine wichtige, wenn nicht entscheidende Schlüsselrolle zu. Mit Blick auf potenzielle Einsatzgebiete in Osteuropa – in Polen und in den baltischen Staaten – stellen zahlreiche breite Gewässer Geländehindernisse dar, die eigene Bewegungen hemmen und kanalisieren. Dass die Rolle der Pioniertruppen in Landoperationen bedeutender ist also je zuvor, zeigen die Erkenntnisse aus jüngsten Übungen der Nato im Baltikum.
Eine Unikatfähigkeit?
Am besten zeigt sich ein zusätzlicher Fähigkeitsgewinn beim amphibischen Brücken- und Fährenfahrzeug M3. Es wird zum schnellen Bau von Schwimmbrücken aneinandergekoppelt und als Fähren einzeln oder gekoppelt eingesetzt, um Rad- und Kettenfahrzeugen den Übergang über mittlere und breite Gewässer zu ermöglichen. Die Amphibie M3 gilt derzeit als das weltweit modernste und am schnellsten verlegbare amphibische Brücken- und Fährenfahrzeug in Bezug auf Traglast sowie Gelände- und Wasserbeweglichkeit. Die entscheidenden Vorteile einer Schwimmbrücke zeigen sich in der Entscheidung Schwedens, das M3-System zu beschaffen. Am 19. November wurde das erste amphibische Brücken- und Fährsystem von General Dynamics European Land Systems (GDELS) – Bridge Systems an seinem Produktionsstandort in Kaiserslautern an die schwedische Beschaffungsbehörde SDMA (Swedish Defence Materiel Administration) übergeben. Mit der Auslieferung der vier beauftragten Lose wird Schweden zu einem der drei großen M3-Nutzer der Nato neben Deutschland und Großbritannien, so eine Mitteilung von GDELS vom 19. November. Die schwedischen Landstreitkräfte (Armén) werden damit im pioniertechnischen Bereich zusätzliche Kapazitäten für das Bündnis bereitstellen.
Viele Erprobungen und Feldversuche unter verschiedenen Klimabedingungen sowie der Einsatz bei Naturkatastrophen und im Gefecht machen die aus Aluminium gefertigte Amphibie M3 zu einem hochmobilen militärischen Schwimmbrückensystem, das die Leistungsparameter für überschwere Lasten im Brücken- und Fähreneinsatz erfüllt. Eine Zahl soll dies verdeutlichen: Künftig erwartete Einsatzszenarien der Nato-Landstreitkräfte erfordern einen Zuwachs von 45-55% an leistungsfähigen Schwimmschnellbrücken (mit einer Tragfähigkeit von MLC120) bei den deutschen und britischen Streitkräften. Das gemeinsame Projekt einer gemeinsamen deutsch-britische Beschaffung eines Nachfolgesystems für die Amphibie M3 ist beschaffungsorganisatorisch inzwischen bei der europäischen Rüstungsorganisation OCCAR (Organisation Conjointe de Coopération en Matière d’Armement) in Bonn angesiedelt.
Der Ausblick stimmt optimistisch: Bei der Beschaffung eines Nachfolgesystems (als „Schwimmschnellbrücke 2“ bezeichnet) durch Deutschland und Großbritannien soll es sich im Kern um ein System handeln, das die gleiche Funktionalität aufweisen wird wie derzeit die Amphibie M3. Das neue System soll allerdings über eine erhöhte Tragfähigkeit verfügen. Von entscheidender Bedeutung ist außerdem die Interoperabilität zu Brückensystemen verbündeter oder befreundeter Staaten. Dadurch soll der künftige Bedarf an Übersetzkapazitäten im Verbund abgedeckt werden können. Ein Nachfolgesystem könnte bis zum Jahr 2031 verfügbar sein.
Gleichwohl ist eine Beschränkung auf das System M3 nicht zeitgemäß, mahnt der ehemalige Kommandeur Ausbildungszentrum Pioniere und General der Pioniertruppe, Brigadegeneral a.D. Lutz Erich Niemann. Er warnt davor, dass nur die Weiterentwicklung M3 zu kurz greifen würde. Vielmehr müsse es darum gehen, zukunftsgerecht ein System oder Systeme zu entwickeln, die sämtliche Forderungen, von „vorn bis hinten“ berücksichtigen. Und das möglichst unter Beteiligung möglichst vieler Partner.