Modular und vernetzt: Das Drohnenabwehrsystem mit PROTECTOR-Waffenstation,
Teledyne-Sensoranhänger und Spexer-Radar zeigt, wie zukünftige Verteidigung am
Boden funktionieren kann – kosteneffizient, skalierbar und mobil. Der Anhänger ist
zwar mobil einsetzbar, stößt aber in schwierigem Gelände auf Grenzen.
(Bild: KONGSBERG)
Auf dem Forum „Unbemannte Systeme X“ der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) in Bonn stellte Oliver Dellschau, Vertreter von KONGSBERG Deutschland und Oberst der Reserve, ein innovatives, kosteneffizientes Drohnenabwehrsystem vor. Das System wurde ursprünglich aus der Initiative heraus entwickelt, zehn ungenutzte DINGO-Fahrzeuge aus norwegischem Bestand sinnvoll für den ukrainischen Bedarf umzurüsten. Aus dieser Initiative entstand ein hochmobiles, modulares und vernetzbares Schutzsystem für militärische Einrichtungen und Konvois.
Drei Kernkompetenzen – Ein System
Das Projekt vereint drei technologische Kernkompetenzen von KONGSBERG:
- Waffenstationen – basierend auf der PROTECTOR-Plattform (RS-Serie): Diese „software-definierten“ Waffenstationen ermöglichen präzise, digitalisierte Feuerleitung mit modularer Sensorintegration.
- Lenkwaffentechnologie: KONGSBERG verfügt über umfassende Expertise im Zieltracking, etwa durch Kooperationen mit Raytheon im Bereich NASAMS.
- Luftverteidigungssysteme: KONGSBERG ist Anbieter von NASAMS und NOMADS – beide Systeme sind skalierbar und modular einsetzbar.
Für das Drohnenabwehrsystem nutzte KONGSBERG marktverfügbare Komponenten, darunter Anhänger von Teledyne Technologies zur Integration von Sensorik und Bewaffnung. Aufgrund begrenzter Nutzlastkapazität des DINGO wurden diese Anhänger extern betrieben und beispielsweise zur Objektüberwachung eingesetzt.
Das System ist vorrangig für den stationären Objektschutz konzipiert, lässt sich jedoch mit geeigneten Trägerplattformen – etwa durch Auflastung des Anhängers auf geländegängige Fahrzeuge – auch mobil einsetzen. Der Anhänger ist grundsätzlich mobil und einsatzfähig, zeigt jedoch in anspruchsvollem Gelände gewisse Grenzen hinsichtlich Robustheit. Diese Einschränkungen lassen sich durch alternative Transportlösungen kompensieren, was die Flexibilität des Systems insgesamt erhöht.
Vom Experiment zur Einsatzreife
In Nordnorwegen wurden in einem intensiven Versuchsumfeld – Dellschau spricht augenzwinkernd von „Papstwahlbedingungen“ – alle Disziplinen vereint getestet. Anfänglich trafen die Maschinengewehre (12,7 mm / .50 cal) kaum ihre Ziele. Doch durch konsequente Optimierung der Feuerleitsoftware und Sensorintegration gelang es, mit kurzen Feuerstößen kleine, schnelle Drohnen zuverlässig zu neutralisieren. Auch sogenannte Schalldrohnen – besonders schwer ortbare Ziele – konnten erfolgreich bekämpft werden – ein besonderer Nachweis für die Effektivität des Systems gegen moderne Bedrohungen.
Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Während klassische Systeme wie der SkyRanger mit AHEAD-Munition pro Schuss rund 500 Euro kosten, liegt die Kostenstruktur beim Einsatz von Punkt-5-Munition deutlich niedriger – eine entscheidende Größe angesichts der Vielzahl an kostengünstigen FPV-Drohnen, die derzeit im Ukraine-Konflikt verwendet werden.
Vernetzte Wirkung und skalierbare Verteidigung
Ein zentrales Element des Konzepts ist die Fähigkeit zur Vernetzung. Fahrzeuge mit Waffenstationen können über ein Gefechtsführungssystem miteinander gekoppelt werden. Dadurch ist es möglich, Sensorik-Trupps (z. B. mit Spexer-Radaren von HENSOLDT) strukturell getrennt einzusetzen, ohne jedes Fahrzeug individuell ausstatten zu müssen – ein kosteneffizienter Ansatz.
Das System ermöglicht die Bildung lokaler Drohnenabwehrschirme mit gemeinsam genutzter Sensorik und dezentraler Feuerleitung. Es ist flexibel skalierbar – von stationärem Objektschutz bis hin zum Begleitschutz von mobilen Einheiten.
Ausblick: Mehr Reichweite durch Lenkwaffen
Zur Abwehr hochfliegender oder entfernter Drohnen (6 km+) wurden im Vortrag auch kosteneffizientere Alternativen zu klassischen Flugkörpern vorgestellt. Die Integration des APKWS (Advanced Precision Kill Weapon System), eines lenkbaren 70-mm-Raketen-Guidance-Kits von BAE Systems, wurde als möglicher nächster Schritt genannt. Mit rund 20.000 Dollar pro Effektor wären diese deutlich günstiger als konventionelle Boden-Luft-Raketen.
Hardkill im Kern, Softkill als Ergänzung
Zwar liegt der Schwerpunkt des Systems auf der kinetischen Wirkung, doch ist auch die Ergänzung durch Softkill-Komponenten wie Jammer (Rohde & Schwarz) oder Hochleistungs-Mikrowellen denkbar. Die Grundlage bleibt jedoch ein modulares Hardkill-System mit hoher Wirksamkeit und niedriger logistischer Komplexität.
Denkbare Lösung auch für die Bundeswehr
Die gezeigte Kombination könnte auch für die Bundeswehr ein hochattraktives Modell darstellen – insbesondere im Kontext eines dringend benötigten Systems zur Drohnenabwehr auf taktischer Ebene. Angesichts der im Ukrainekrieg beobachteten Bedrohungslage durch Drohnenschwärme und kostengünstige FPV-Drohnen würde ein solches System eine praxisnahe und schnell verfügbare Antwort liefern. Denkbar wäre auch die Integration von Waffen wie dem MG6, einer Gatling-Waffe im Kaliber 7,62 mm, um durch breite Streuung insbesondere gegen Schwärme kleiner Drohnen effektiv vorgehen zu können.
Schnelligkeit durch Pragmatismus
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt ist die Geschwindigkeit der Umsetzung: Zwischen Anfrage Anfang 2024 und Ausbildung der ersten ukrainischen Bediener im Juli 2024 vergingen nur wenige Monate. Möglich wurde das durch einen „Military-Off-the-Shelf“-Ansatz und pragmatische Kooperation mit dem ukrainischen Sonderstab, der schnelle Lösungen bevorzugt.
Fazit
Das vorgestellte System zeigt, wie durch intelligente Kombination vorhandener Technologien, pragmatische Herangehensweise und starke Industriekooperationen ein einsatzreifes Drohnenabwehrsystem in kürzester Zeit entstehen kann. KONGSBERG liefert damit eine konkrete Antwort auf die Herausforderungen moderner, asymmetrischer Konflikte – ein Ansatz, der auch für deutsche Streitkräfte als zukunftsweisendes Modell dienen könnte.