Herr General, könnten Sie zu Anfang des Gesprächs das Jahr einmal in drei Worten zusammenfassen?
Generalmajor Stefan Lüth: Herausfordernd, motivierend und kräftezehrend. Herausfordernd wegen des organisatorischen Umbruchs der Streitkräftebasis in der Gesamtorganisation der Bundeswehr. Nichts durfte „zwischen die Stühle fallen“. Alle haben hervorragend mitgemacht – das Leistbare wurde bis an die Grenzen ausgereizt. Die Kameradschaft hat mich motiviert, und ich bin dankbar für die großartige Leistung, die erbracht wurde. Kräftezehrend war es, weil die Menschen im Umbruch waren und Unsicherheit herrschte: Wie geht es weiter? Was passiert mit mir persönlich? Für mich persönlich war es eine große Aufgabe, diesen Organisationsbereich ohne Stellvertreter zu führen und gleichzeitig die neue Struktur mitzugestalten.
Was war aus Ihrer Perspektive die größte Herausforderung in diesem Jahr?
Generalmajor Stefan Lüth: Definitiv, parallel zur bruchfreien Leistungserbringung der Streitkräftebasis die Reorganisation durchzuführen. Wir mussten zwei militärische Organisationsbereiche zusammenführen und einen neuen Stab entwickeln – und das in einem engen Zeitrahmen bis April 2025. Es gab keine Blaupause, da so etwas noch nie zuvor gemacht wurde. Gleichzeitig mussten wir die Menschen in diesem Prozess mitnehmen, Transparenz schaffen und soziale Aspekte berücksichtigen.
Welche Erfolge konnten Sie im vergangenen Jahr verbuchen?
Generalmajor Stefan Lüth: Der größte Erfolg war die Aufstellung des neuen Unterstützungsbereichs. Parallel dazu wurden alle Aufträge der Streitkräftebasis erfüllt, darunter Einsätze im internationalen Krisenmanagement. Besonders stolz bin ich auf die Leistungen, die trotz der Mehrbelastung durch die Reorganisation erbracht wurden.
Zum 1. Oktober 2024 wurde die erste Phase abgeschlossen. Was ist bis dahin passiert?
Generalmajor Stefan Lüth: Wir haben einen Aufbaustab etabliert, der die Integration des Kommandos Sanitätsdienst und des Kommandos SKB koordiniert hat. Zum 1. Oktober 2024 haben wir die IOC (Initial Operating Capability) erreicht, was unter normalen Umständen nicht möglich gewesen wäre. Tatkräftige Mitwirkung aller Beteiligten hat dies ermöglicht. Gleichzeitig haben wir neue Elemente, wie das Wachbataillon, integriert und eine Struktur für den neuen Befehlshaber entwickelt, der ab dem 1. April 2025 die Führung übernehmen wird.
„Quadriga 24“ war eine der größten Übungen in der Geschichte der Bundeswehr. Was waren dabei die Leistungen der Streitkräftebasis?
Generalmajor Stefan Lüth: „Quadriga 24“ war die größte Übung der Bundeswehr seit 35 Jahren. Insgesamt haben 2.000 Angehörige der Streitkräftebasis daran teilgenommen, einschließlich der ABC-Abwehr, der Logistik und der Feldjäger. Wir haben zahlreiche Aufgaben übernommen, darunter die Verkehrsleitung und den strategischen Seetransport. Besonders hervorzuheben ist die Übung „Brave Blue“, bei der das logistische Netzwerk vor Ort aufgebaut wurde. Das war ein Highlight und eine wichtige Vorbereitung auf reale Einsatzszenarien.
Welche Herausforderungen bleiben für das kommende Jahr?
Generalmajor Stefan Lüth: Die größte Herausforderung wird sein, den Unterstützungsbereich weiter aufzubauen und die Ukraine weiterhin in allen Facetten zu unterstützen. Es geht darum, die neuen Strukturen zu festigen und die Truppe optimal auszustatten. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, die Einsätze weiterhin erfolgreich zu bestücken und unsere IT-Systeme zu verbessern.
Wie ist Ihre persönliche Perspektive auf das kommende Jahr?
Generalmajor Stefan Lüth: Mein Ziel ist es, den Übergang reibungslos zu gestalten und General Funke die Verantwortung über einen gut aufgestellten Bereich zu übergeben. Es geht darum, die Möglichkeiten der neuen Struktur voll auszuschöpfen und den Fokus auf die Unterstützung der Truppe zu legen. . Es ist wichtig, dass die neuen Strukturen weiter etabliert werden und wir unsere Unterstützungsaufgaben konsequent fortsetzen.
Wie würden Sie die Materialausstattung der Streitkräftebasis bewerten, insbesondere im Hinblick auf die jüngsten 25-Millionen-Vorlagen?
Generalmajor Stefan Lüth: Der Nachholbedarf ist gewaltig, aber die Zuläufe sind groß. Wir haben deutliche Fortschritte gemacht, insbesondere durch die Beschaffung aus dem Sondervermögen. Bis Ende nächsten Jahres erhalten wir 1.200 neue Transportfahrzeuge mit einer Zuladung bis 15 Tonnen, sieben mobile Kräne für die logistischen Truppenteile und 140 neue Motorräder für die Feldjäger. Es gibt immer noch Verbesserungspotenzial, aber die Truppe ist bereit und freut sich über die neuen Möglichkeiten.
Mit Blick auf den anstehenden dritten Kriegswinter in der Ukraine und die geopolitischen Herausforderungen, was erwarten Sie vom Mindset Ihrer Kameradinnen und Kameraden sowie der zivilen Mitarbeitenden?
Generalmajor Stefan Lüth: Wir sind alle betroffen und beschäftigen uns tagtäglich mit dem Krieg in der Ukraine. Es ist eine Herausforderung, die uns klar macht, wie wichtig unser Einsatz für die Freiheit und den Wohlstand Europas ist. Zeitenwende bedeutet gesellschaftliches und individuelles Umdenken. Jeder Einzelne muss sich vorbereiten, sowohl dienstlich als auch privat. Während meiner Dienstaufsichtsbesuche sehe ich, dass viele Soldatinnen und Soldaten gut vorbereitet sind, aber auch einige noch Nachholbedarf haben. Wir kommunizieren klar, dass der Eid „Ich gelobe“ eine persönliche Verantwortung mit sich bringt. Natürlich unterstützen die Vorgesetzten und Kommandeure, aber die individuelle Verantwortung bleibt zentral.
Welche Botschaft möchten Sie abschließend an die Truppe und die zivilen Mitarbeitenden richten?
Ich möchte, dass die Möglichmacher weiterhin so engagiert arbeiten wie bisher. Es geht darum, aus der neuen Struktur heraus noch besser zu werden, die vielen Aufgaben anzunehmen und die positiven Entwicklungen, wie den Materialzulauf, zu nutzen. Unser Ziel ist es, kriegstüchtiger zu werden und die Bundeswehr noch effektiver zu unterstützen.
Veröffentlicht mit Genehmigung des Unterstützungskommandos der Bundeswehr – Presse- und Informationszentrum
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Die Streitkräftebasis stand 2024 vor großen Veränderungen:
Neue Strukturen, hohe Einsatzzahlen und die Unterstützung der Ukraine prägten
das Jahr. Durch den Osnabrücker Erlass veränderte sich die Bundeswehr.
Streitkräftebasis und Sanität bilden den neuen Unterstützungsbereich, kurz UstgBer.
Generalmajor Stefan Lüth zieht im Interview mit Oberleutnant Maximilian P. von Radio
Andernach Bilanz und gibt einen Ausblick auf die kommenden Aufgaben im Jahr
2025.
(Foto: Radio Andernach)