Ende Juni 2024 waren direkt vor der Haustür der Kieler Bucht im Fehmarnbelt erneut ungewöhnliche Bewegungen russischer Staatsschiffe zu beobachten. Am 22. Juni 2024 hat der russische Öltanker (RFS) Yaz den Fehmarnbelt in Richtung St. Petersburg passiert. (Foto: Michael Nitz)

Maritime Verwundbarkeit: Russlands Schattenflotte als Sicherheitsrisiko in der Ostsee

Ende Juni 2024 waren direkt vor der Haustür der Kieler Bucht im Fehmarnbelt erneut ungewöhnliche Bewegungen russischer Staatsschiffe zu beobachten. Am 22. Juni 2024 hat der russische Öltanker (RFS) Yaz den Fehmarnbelt in Richtung St. Petersburg passiert.

(Foto: Michael Nitz) 

Die Ostsee ist eine der strategisch wichtigsten Wasserstraßen Europas und spielt eine zentrale Rolle für den internationalen Handel sowie die Energieversorgung. Doch in den letzten Jahren hat sich ein neues sicherheitspolitisches Risiko herauskristallisiert: die sogenannte russische Schattenflotte. Diese inoffiziellen Schiffsverbände operieren zunehmend in der Region und werfen Fragen zur Sicherheit, Stabilität und Umweltschutz der Ostsee auf. Veraltete und schlecht gewartete Tanker durchqueren die Ostsee, häufig beladen mit sanktioniertem Öl oder Ölprodukten. Die daraus erzielten Einnahmen fließen in die russische Kriegskasse und finanzieren den Angriff auf die Ukraine.

 

Die Schattenflotte und ihre Bedeutung

Als „Schattenflotte“ werden Schiffe bezeichnet, die unter wechselnden oder anonymisierten Flaggen fahren, ihre wahre Identität verschleiern und sich oft außerhalb internationaler Regularien bewegen. Während solche Flotten primär mit Sanktionsumgehungen in Verbindung gebracht werden, etwa im Öl-Handel, haben sie zunehmend eine sicherheitspolitische Dimension. Insbesondere Russland setzt diese Methode gezielt ein, um militärische und wirtschaftliche Interessen zu verschleiern.

 

Bedrohung für maritime Infrastruktur und Handel

Experten warnen, dass die russische Schattenflotte nicht nur den ökonomischen Wettbewerb verzerrt, sondern auch eine ernsthafte Bedrohung für kritische maritime Infrastrukturen darstellt. Pipelines, Unterseekabel und Hafenanlagen könnten durch getarnte Operationen sabotiert oder ausspioniert werden. Insbesondere die Nord Stream-Pipelines, die bereits Ziel von Sabotageakten wurden, stehen im Fokus der Sicherheitsdebatte. Zuletzt häuften sich Beschädigungen an Stromleitungen und Kommunikationskabel, wie beispielsweise zweimal an einem Glasfaserkabel zwischen Helsinki und Rostock. Auch wenn die Ursache hierzu noch unklar ist, äußern Behördenvertreter verschiedener Länder der Ostsee, dass die Schiffe mithilfe ihrer Anker absichtlich Kabel am Meeresgrund kappen. Außerdem sind viele dieser Schiffe überdurchschnittlich alt, technisch überholt und mangelhaft gewartet, was die Gefahr von Havarien und Umweltkatastrophen erheblich steigert.

 

Reaktionen von NATO und EU

Die Ostseeanrainerstaaten prüfen aktuell, welche weiteren Schritte sie im Rahmen des internationalen Seerechts gegen gezielte Angriffe auf Unterwasserinfrastruktur unternehmen können. Um der zunehmenden Bedrohung durch intransparente russische Schiffsbewegungen entgegenzuwirken, haben NATO und EU ihre maritimen Sicherheitsmaßnahmen in der Ostsee verstärkt. Dies unterstreicht die neue NATO-Mission Baltic Sentry, zu Deutsch „Wächter der Ostsee“. Neben einer verstärkten Satelliten- und Drohnenüberwachung setzt man auf eine engere Zusammenarbeit zwischen den Anrainerstaaten. Schweden und Finnland, die kürzlich ihre NATO-Mitgliedschaften vollzogen haben, tragen mit ihren Marinekräften zur Absicherung der Region bei. Der deutsche Führungsstab Commander Task Force (CTF) Baltic, der Ende 2024 ins Leben gerufen wurde, spielt eine zentrale Rolle in der Mission und koordiniert die Aktivitäten der verbündeten Marineeinheiten in der Ostsee.

 

Handlungsbedarf für Deutschland und Europa

Deutschland als eine der führenden Seefahrernationen Europas steht vor der Herausforderung, seine Handelswege und maritime Infrastruktur besser zu schützen. Eine Ausweitung der Kontrolle und Identifikation von nicht gekennzeichneten oder verdächtigen Schiffen ist erforderlich, um Sabotage und Spionage vorzubeugen. Zudem sollten Investitionen in den Schutz von Unterwasserinfrastrukturen, wie Glasfaserkabel und Pipelines, intensiviert werden.

 

Fazit

Die russische Schattenflotte stellt ein wachsendes Sicherheitsrisiko in der Ostsee dar. Neben wirtschaftlichen und energiepolitischen Aspekten ist vor allem die Gefährdung der maritimen Infrastruktur, der Handelswege und der Umwelt von großer Bedeutung. NATO und EU haben erste Maßnahmen zur Gegenwehr ergriffen, doch es besteht weiterhin Handlungsbedarf, um die Stabilität in der Region langfristig zu sichern. Deutschland und Europa müssen gemeinsam Strategien entwickeln, um den Bedrohungen durch intransparente Schiffsbewegungen wirksam entgegenzutreten.

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