Technisches Rückgrat der Übung: Multinationale Teams testeten bei CWIX 2025 digitale Systeme unter realistischen Bedingungen. (Foto: Allied Command Transformation Public Affairs Office)

CWIX 2025: NATO zieht Lehren aus größter Interoperabilitätsübung

Lutz Krieg

Technisches Rückgrat der Übung: Multinationale Teams testeten bei
CWIX 2025 digitale Systeme unter realistischen Bedingungen.

Foto: Allied Command Transformation Public Affairs Office

Mit der Abschlusszeremonie am 19. Juni 2025 endete die diesjährige NATO-Übung CWIX 2025 (Coalition Warrior Interoperability eXercise) am Joint Force Training Centre (JFTC) im polnischen Bydgoszcz. Vom 2. bis zum 20. Juni testeten rund 3.000 Experten aus 42 Nationen – bestehend aus allen 32 NATO-Mitgliedstaaten sowie sieben Partnernationen und weiteren teilnehmenden Organisationen eine neue Dimension der digitalen Einsatzfähigkeit: von geschützten Netzwerken über Weltraumdaten bis hin zur medizinischen Einsatznachverfolgung in Echtzeit.

 

Rückblick auf eine Übung der Superlative

CWIX ist keine klassische Feldübung mit Truppenverlegungen, sondern ein hochspezialisiertes Testlabor für digitale Zusammenarbeit in multinationalen Operationen. In diesem Jahr wurden 573 Systeme und Fähigkeiten geprüft – darunter Komponenten aus den Bereichen C4ISR (Command, Control, Communications, Computers, Intelligence, Surveillance and Reconnaissance), Cyberabwehr, Weltraumüberwachung (Space Situational Awareness, SSA), geschützte Kommunikationsnetze (Protected Core Network) sowie Modellierungs- und Simulationsumgebungen zur Einsatzplanung und Fähigkeitsbewertung.

Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Integration von Systemen aus allen fünf Operationsdomänen: Land, Luft, See, Cyber und Weltraum. Durch über 25.000 Tests in rund 18 thematischen Schwerpunktgruppen konnten Schwachstellen identifiziert, Software angepasst und neue Schnittstellen abgestimmt werden – teilweise in Echtzeit.

 

Multinationale Beteiligung und reale Anwendungen

Neben den 32 NATO-Mitgliedstaaten nahmen auch mehrere Nicht-NATO-Staaten an CWIX 2025 teil – darunter etwa die Schweiz, Österreich, die Ukraine und Georgien. Diese breite internationale Beteiligung ermöglichte es, technische Interoperabilität unter realistischen Bedingungen zu prüfen und Systeme auch über das Bündnis hinaus abzustimmen.

Die bulgarischen Streitkräfte – als NATO-Mitglied seit 2004 – führten unter anderem Anwendungen zur gemeinsamen Lageführung im C4ISR-Umfeld durch. Auch neue Werkzeuge zur medizinischen Einsatznachverfolgung sowie automatisierte Logistiksysteme wurden im multinationalen Verbund getestet.

Besonders auffällig war die starke Beteiligung des NATO-Weltraumzentrums, das seine Rolle im sich wandelnden Gefechtsfeld der fünften Dimension – dem Orbit – weiter festigte. Die Fähigkeit, raumgestützte Lageinformationen in Echtzeit in nationale Führungsinformationssysteme zu integrieren, gilt als einer der zentralen Fortschritte dieses Jahres.

 

Starke Beteiligung der Bundeswehr

Die Bundeswehr war auch in diesem Jahr mit mehreren Fachbereichen und Testteams aktiv eingebunden. Im Mittelpunkt standen insbesondere Beiträge des Kommandos Cyber- und Informationsraum (CIR), des Zentrums Digitalisierung der Bundeswehr (ZDigBw) sowie von IT-Elementen aus der Ausrüstungsorganisation.

Getestet wurden unter anderem die Anbindung nationaler Führungsinformationssysteme an multinationale C4ISR-Strukturen sowie die Interoperabilität von Kommunikationslösungen im Rahmen multinationaler Gefechtsstände. Auch deutsche Beiträge zur Cyberresilienz, zu Verschlüsselungstechnologien und zur Satellitendatenintegration wurden in realitätsnahen Szenarien evaluiert. Ziel war es, die eigene Systemlandschaft nahtloser in NATO-Architekturen einzubetten – insbesondere mit Blick auf Einsätze im Rahmen der NATO Response Force (NRF) oder der Very High Readiness Joint Task Force (VJTF).

Wie vielseitig CWIX genutzt wird, brachte Oberstleutnant Hink, nationaler Koordinator der Bundeswehr-Anteile im Kommando CIR, auf den Punkt:

„Von Steve Jobs’ erstem Apple-PC in seiner Garage bis hin zum fertig akkreditierten Netzwerk inklusive ausgebildetem Personal, welches am nächsten Tag verlegt werden kann, bietet die multinationale Übung CWIX alle nur erdenklichen Möglichkeiten der Weiterentwicklung sowie Bereitstellung von Fähigkeiten. Unter diesen Gesichtspunkten ist die CWIX einfach auch die größte NATO-Interoperabilitätsübung – mit einer Heimat für IT-Nerds bis hin zum Operateur.“

 

Bedeutung für NATO-Strukturen

CWIX liefert nicht nur technische Testergebnisse – sie beeinflusst auch langfristig die Einsatzfähigkeit der Allianz. Die Erkenntnisse fließen ein in die Weiterentwicklung künftiger Standards und Doktrinen, etwa für die NATO Response Force, das neue Bündnisverteidigungskonzept „Deterrence and Defence of the Euro-Atlantic Area (DDA)“ sowie die vorbereitende Planung künftiger Großübungen.

Zudem spielt CWIX eine zentrale Rolle bei der Umsetzung des NATO-Vorhabens „Digital Backbone“, dem digitalen Rückgrat des Bündnisses. Ziel ist eine durchgängige, widerstandsfähige und interoperable Dateninfrastruktur, die militärische Entscheidungsprozesse über alle Ebenen hinweg technisch unterstützt. Ohne digitale Interoperabilität, so die zentrale Erkenntnis, bleibt politische Handlungsfähigkeit im Ernstfall eingeschränkt.

Diese Bedeutung betonte auch Admiral Hervé Guillemot Vandier, Supreme Allied Commander Transformation (SACT), im Rahmen der Übung:

„Erfolg hängt von der nahtlosen Integration alliierter Fähigkeiten ab. CWIX schafft genau diese Interoperabilität.“

 

Ausblick

Die Ergebnisse der CWIX 25 sollen im Laufe des Sommers in einem umfassenden Analysebericht veröffentlicht werden. Klar ist bereits jetzt: Interoperabilität endet nicht bei gemeinsamer Sprache oder Führungskette – sie beginnt bei der Fähigkeit, Sensoren, Daten und Systeme unmittelbar und verlässlich zu vernetzen.

Gerade in Zeiten wachsender Bedrohungen im Cyber- und Weltraumbereich wird CWIX zunehmend auch politisch relevant. Die Fähigkeit, in verteilten Lagen rasch gemeinsame Lagebilder zu generieren und synchronisiert zu handeln, entscheidet über Reaktionsfähigkeit, Bündniskohärenz – und letztlich über Glaubwürdigkeit.

 

Fazit

CWIX 2025 hat erneut gezeigt, dass digitale Interoperabilität zur kritischen Ressource moderner Streitkräfte geworden ist. Wer gemeinsam operieren will, muss gemeinsam testen – und genau das tut die NATO in Bydgoszcz jedes Jahr aufs Neue.

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