Damen Naval entwickelt High-End-Plattformen und Serviceleistungen für die Seestreitkräfte vieler Länder

09/06/2021

Gespräch mit Hein van Ameijden, Generaldirektor Damen Naval

Hein van Ameijden

Hein van Ameijden: „[…] wir in Holland haben „Oceangoing Patrol“-Schiffe anstatt von Fregatten gebaut und in Deutschland wurde die Fregatte F125 gefertigt.“

Das niederländische Unternehmen Damen Schelde Naval Shipbuilding B.V. (DSNS) hat seine Wurzeln in der im Jahr 1875 in Vlissingen gegründeten Koninklijke Maatschappij „De Schelde“ (KMS). Ein Jahr darauf wurde ein erstes Marineschiff gebaut, aber zum Portfolio gehörten auch Passagierschiffe für den Schiffsverkehr nach Niederländisch-Indien. Bereits 1906 baute KMS das erste niederländische Unterseeboot und in der Folge viele weitere Schiffe für die Königlich Niederländische Marine. 1966 fusionierte KMS mit der Werft Rotterdamsche Droogdok Maatschappij und der Motorenfabriek Thomassen zur Rijn-Schelde Machinefabrieken en Scheepswerven (RSMS). Im Jahr 1971 trat die Verolme Verenigde Scheepswerven (VVSW) aus Rotterdam dem Werftverbund hinzu und firmierte fortan als Rijn-Schelde-Verolme Machinefabrieken en Scheepswerven (RSV). Im April 1983 übernahm der niederländische Staat gemeinsam mit der Provinz Zeeland die Unternehmensanteile und sicherte die weitere Existenz der Werften, letztlich auch durch Aufträge zum Bau von Marineschiffen. Im Jahr 1991 wurde das Unternehmen in Koninklijke Schelde Groep B.V. (KSG) umbenannt und ist seit dem Jahr 2000 Teil des Familienbetriebs Damen Shipyards Group B.V. aus Gorinchem. Im vergangenen Jahr wurde der Firmenname vereinfacht, und zwar mit dem Fokus auf den komplizierten Marineschiffbau in Damen Naval.

wt: Herr van Ameijden, Damen Naval baut sein globales Geschäft deutlich aus und bietet High-End-Plattformen und Serviceleistungen an, die von Marinen vieler Staaten weltweit benötigt werden. Dabei spielt Modularität eine wichtige Rolle. Können Sie dies näher erläutern?

Van Ameijden: Seit vielen Jahrzehnten ist Damen Naval der Marineschiffbauer der Niederlande. Die Entwicklung und der Bau von Marineschiffen für den Export sind eigentlich erst durch die Übernahme von Damen im Jahr 2000 entstanden. Ein erster Erfolg war die Lieferung von zwei Korvetten an Indonesien. Wir haben von Anfang an auf Modularität gesetzt und konnten damit durch Kooperationen mit anderen Werften einzelne Schiffe in den Ländern vor Ort fertigen, zum Beispiel kürzlich eine Fregatte in Mexiko. Dazu wurden Module aus Holland angeliefert und dort integriert. Diese Art der Kooperation hat sich als erfolgreich erwiesen, zumal die Exportländer dies auch zu Vertragsbedingungen machen, um die heimische Industrie zu beteiligen und auch mehr Know-how zu erreichen.

Die vier Fregatten der DE ZEVEN PROVINCIËN-Klasse wurden in Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Niederlanden realisiert und entsprechen der deutschen Fregatten Klasse F124.

wt: Damen Naval hat sich zum Ziel gesetzt, seinen „Footprint“ in Europa zu erweitern und mit der Projektierung der deutschen Fregatte Typ F126 (vormals MKS 180) einen wichtigen Erfolg in Deutschland erzielt. Wie läuft das Programm ab?

Van Ameijden: Zunächst ist festzustellen, dass die meisten Länder weltweit, dies gilt auch für Europa, ihre Schiffbauindustrie als Schlüsseltechnologie durch Abschottung schützen. Dies gilt auch für Deutschland, wo es allerdings keinen den Markt beherrschenden Champion im Schiffbau gibt. Ich vermute, dass das die Entscheidung der Bundesregierung mit beeinflusst hat, eine europäische Ausschreibung vorzunehmen. Wir hatten zunächst wegen der großen europäischen Konkurrenz Bedenken, an der Ausschreibung teilzunehmen, haben uns dann doch dafür entschieden und sind jetzt sehr erfreut, den Zuschlag erhalten zu haben. Natürlich ist die deutsche Werftindustrie stark beteiligt und die Schiffe werden auch in Deutschland gebaut.

Damen liefert zum Projekt umfängliches Know-how und ist zudem der Systemadministrator. Wir begrüßen auch, dass laut einer Erklärung des Bundesministeriums der Verteidigung ein nächstes Marineprojekt, die Fregatte F127, als deutsch-niederländische Kooperation geplant werden soll. Dies kann auch ein Signal für Europa sein, künftige Projekte gemeinsam zu realisieren, um unter anderem damit größere Stückzahlen und Kostenersparnis zu erzielen.

Für die Seestreitkräfte Mexikos wurde dank der Modularität des SIGMA-Familienkonzepts eine Fregatte in Mexiko (Salina Cruz) unter Nutzung von Materialpaketen aus Vlissingen gefertigt.

wt: Herr van Ameijden, Sie zeigten Zufriedenheit über die Entwicklung und Vermarktung von Plattformen für verschiedene Anwendungen, einschließlich spezialisierter Plattformen zur Minenabwehr. Es ist Ihnen sicher auch bekannt, dass die Deutsche Marine – ähnlich wie die Königlich Niederländische Marine und die Belgische Marine in Kooperation – Pläne für die Beschaffung von neuen Minenjagdbooten als Ersatz für ihre derzeitigen Minenjagdeinheiten hat. Wo steht Damen Naval bei diesem Thema?

Van Ameijden: Die deutsch-niederländische Zusammenarbeit hat durchaus eine lange Tradition, beginnend mit der Entwicklung der Fregatte F122 bis hin zur F124. Danach gingen beide Länder eigene Wege; wir in Holland haben „Oceangoing Patrol“-Schiffe anstatt von Fregatten gebaut und in Deutschland wurde die Fregatte F125 gefertigt. Mit dem neuen F126-Programm, das zwar von Damen gewonnen wurde gegen die vollständige europäische Konkurrenz, aber komplett auf deutschen Werften gebaut wird, machen wir einen wichtigen Schritt in Richtung einer dauerhaften deutsch-niederländischen Zusammenarbeit, an der erwartungsgemäß bei dem nächsten Programm (F127/neue LCF-Fregatte) Industrien der beiden Nationen auf Basis von Gleichwertigkeit teilnehmen werden.

Sie sprachen die Programme zur Beschaffung von Minenjagdeinheiten an. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze. Das niederländisch-belgische Konzept sieht vor, dass das so genannte „Mutterschiff“ außerhalb der Minengefahrenzone verbleibt, während das deutsche Konzept das Mutterschiff in der Minengefahrenzone einsetzt und dazu über einen antimagnetischen Schiffsrumpf verfügt. Das Problem scheint, dass man trotz mehrfacher Versuche beide Konzepte nicht zusammenführen kann und somit eine Kooperation zumindest derzeit zu meinem Bedauern nicht weiterverfolgt wird.

wt: Wo sehen Sie weitere Chancen in Deutschland?

Van Ameijden: Wir wollen weiter mit der deutschen Industrie kooperieren. Ich sehe nicht, dass wir die heutige deutsche Werftindustrie ersetzen können. Wir wünschen uns eine verstärkte inner-europäische Zusammenarbeit von privaten Schiffbauern mit Lürssen, thyssenkrupp Marine Systems und German Naval Yards Kiel für eine gemeinsame Zukunft.

Aber auch auf der behördlichen Seite gibt es viele gute und intensive Kontakte. In diesem Zusammenhang ist es für uns sehr wichtig, dass in Deutschland der Marineschiffbau zu einer Schlüsseltechnologie erklärt wurde und dementsprechend geschützt wird. Dies macht künftige Projekte für unsere Nachbarstaaten einfacher. Hinzu kommt im Übrigen auch die große Zusammenarbeit auf militärischer Ebene zwischen den beiden Marinen.

Das Design der Fregatte Klasse F126 zeichnet sich durch einen hohen Grad an Modularität aus.

wt: Was erwarten Sie für die Zukunft Ihrer Werft? Wo sehen Sie zusätzliche Chancen in Europa spezifisch bezüglich der Tatsache, dass die Zusammenarbeit der Industrie einer der Effizienzverstärker für die Streitkräfte in den 2020er Jahren sein wird? Damen Naval wird sicherlich unter anderem seine Kompetenz in den Bereichen Modulschiffaufbau, Nanotechnologie im Marineschiffsbau und Entwicklung sowie die Nutzung von Commercial-off-the-Shelf-Methoden und natürlich auch bei der Schiffreparatur und Wartung einbringen wollen.

Van Ameijden: Betrachten wir die Zukunft realistisch, so muss man ein Problem erwähnen, welches künftige europäische Zusammenarbeit erschwert. Im Süden Europas, und ich meine damit Frankreich, Spanien und Italien, ist die Schiffbauindustrie in staatlicher Hand. Bei den Staaten Nordeuropas mit Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien befindet sich die Schiffbauindustrie im privaten Besitz. Dies führt zu einer Ungleichheit, die kaum zu beseitigen ist. Ich sehe hierbei ein weiteres Zusammenrücken der privaten Industrien im Norden Europas, was hoffentlich durch gemeinsame Kundenaufträge unterstützt wird.

Für die Schöpfung eines nordeuropäischen Binnenmarktes braucht es aber eine weitgehende Harmonisierung der technischen und operativen Anforderungen, Normierung und Standardisierung sowie der Beschaffungsmethoden. Das ist eine enorme Herausforderung namentlich auf der Kundenseite. Wenn diese Herausforderung aber bewältigt werden kann, schaffen wir somit einen Markt mit einem Umfang, der auch auf Dauer globale Wettbewerbsfähigkeit und Innovation und damit strategische Autonomie für den Norden Europas ermöglicht.

wt: Herr van Ameijden, besten Dank für das sehr interessante Gespräch.

Interview: Jürgen KG Rosenthal, Fotos: Damen Naval; Königlich Niederländische Marine

Stefan Nitschke

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