Die offizielle Aufstellungszeremonie erfolgte am 21. Oktober unter Teilnahme des Verteidigungsminister Boris Pistorius (rechts), des Generalinspekteurs, General Carsten Breuer, und dem Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan-Christian Kaack (links).

Commander Task Force Baltic

Commander Task Force Baltic: Ein taktisches maritimes Hauptquartier für die Ostsee

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich das sicherheitspolitische Umfeld in Europa gewandelt. Angesichts zukünftiger Herausforderungen setzt die Bundeswehr ihren Fokus wieder verstärkt auf den Kernauftrag Landes- und Bündnisverteidigung. Der Ausbau der Zusammenarbeit und das Fördern von Partnerschaften innerhalb der Nato sind dabei wichtige Bestandteile der deutschen Verteidigungsdiplomatie.

Die Deutsche Marine legt hierbei ein besonderes Augenmerk auf multinationale Zusammenarbeit im maritimen Ostseeraum. Die Ostsee, als Teil der Bündnisgrenze zu Russland, liegt in einer zentralen Position für die Nachversorgung insbesondere ihrer Anrainer wie auch für die potenzielle Wirkung aus der maritimen Domäne an der Ostflanke des Bündnisses. Aus diesem Grund ist der Schutz der Seewege und der maritimen Kritischen Infrastruktur wie auch die zentrale Koordination maritimer Aktivitäten der NATO in der Ostseeregion für Deutschland von großer Bedeutung.

Deutsche Marine übernimmt mehr Führungsverantwortung in der Ostsee

Die Nato hat mit der Anpassung ihrer Kräftestruktur einige essenzielle Änderungen vorgenommen. Mit der Aufstellung von regionalen maritimen Stäben auf der oberen taktischen Ebene kann das Bündnis bei Bedarf und im Konfliktfall mehr Verantwortung und Funktionen an die Partnernationen übertragen. Federführend für den Ostseeraum hat die Deutsche Marine am 1. Oktober 2024 den Auftrag als Commander Task Force Baltic (CTF BALTIC) übernommen.

CTF BALTIC dient, zunächst unter Führung von Konteradmiral Stephan Haisch, als nationales taktisches maritimes Hauptquartier mit multinationaler Beteiligung. Haisch betont: „Die multinationale Beteiligung bei CTF BALTIC stärkt unsere gemeinsame Integration und das umfassende Verständnis aller Vorgänge in der Ostsee. Das ist ein beeindruckendes Beispiel des gemeinsamen Verantwortungsgefühls innerhalb der Allianz“.

Für ihn seien gemeinsame Stärke und Zusammenarbeit der Schlüssel, um auch zukünftig dauerhaft Stabilität und Sicherheit in Europa und insbesondere in der Ostsee weiterhin zu gewährleisten.

Gesteuert aus dem Marinekommando in Rostock wird der Stab zukünftig den taktischen Verteidigungsplan für die Ostsee und die dazu erforderliche Koordination mit allen Nato-Staaten im Ostseeraum verantworten. Gemeinsam mit Soldatinnen und Soldaten unserer Partnernationen werden in Rostock zukünftig maritime Aktivitäten in der gesamten Ostsee geplant, geführt und überwacht. Das betrifft vor allem die Führung von Seestreitkräften, inklusive Marineflieger und Marineinfanterie, die das Bündnis CTF BALTIC unterstellt hat, sowie das Planen von maritimen Manövern und Operationen für die Nato.

Für diesen Zweck soll der Stab der Nato rund um die Uhr ein aktuelles militärisches Lagebild der Region zur Verfügung stellen. Die Herausforderungen dabei sind, einerseits die großen Mengen an militärischen und zivilen Informationen zusammenführen, andererseits alle militärischen Domänen (Land, Luft, See, Cyber-Raum und Weltraum) gleichzeitig zu berücksichtigen. Die Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Partnermarinen im Informationsaustausch, Lagebildaufbau und Lagebildauswertung soll CTF BALTIC nutzen und kontinuierlich ausbauen. Das Maritime Operation Centre (MOC) in Glücksburg übernimmt dabei die Lagebildführung für CTF BALTIC.

Für zunächst vier Jahre stellt Deutschland das nationale Hauptquartier zur Verfügung. Bei Aktivierung der Verteidigungspläne sowie bei Bedarf kann dieses HQ unmittelbar der Marineführung der Nato, dem Allied Maritime Command in Northwood, England, unterstellt werden.

Konteradmiral Stephan Haisch (links) übernimmt zunächst das Kommando für Commander Task Force Baltic.
Konteradmiral Stephan Haisch (links) übernimmt zunächst das Kommando für Commander Task Force Baltic.

Baltic Maritime Coordination Hub: Die Zentrale für Koordination und Synchronisation in der Ostsee

Zusätzlich zu seiner Rolle in der Führung von Kräften dient CTF BALTIC mit dem kollozierten Baltic Maritime Coordination Hub (BMCH) als zentrale Koordinierungsstelle für maritime Aktivitäten in der Ostsee. Die Synchronisation der Maßnahmen der alliierten Nationen, insbesondere, um die dauerhafte Präsenz im Raum und Abschreckung zu erreichen, erfolgt beispielsweise im Rahmen von Übungen und „Vigilance Activities“. Letztere sind laufende militärische Maßnahmen, um ein angemessenes strategisches Lagebewusstsein und Einsatzbereitschaft der Streitkräfte in einem Einsatzgebiet sicherzustellen. Auf dieser Grundlage demonstriert die Nato ihre Verteidigungsfähigkeit mit gesteigerter militärischer Präsenz und gemeinschaftlichen Manövern.

Führungsstab DEU MARFOR bildet den organisatorischen Nukleus

Um als Commander Task Force arbeiten zu können, muss der Stab die Aufgaben innerhalb des gesamten Spektrums maritimer Fähigkeiten abdecken. Um diese Ansprüche erfüllen zu können, ist CTF BALTIC als personell aufwuchsfähiges Hauptquartier konzipiert. Vom Über- und Unterwasserkampf über Multinationale Maritime Logistik bis zum Militärischen Nachrichtenwesen sind alle militärischen Fähigkeiten im Stab abgedeckt. Dafür hat die Deutsche Marine bereits 2019 mit der Aufstellung des Führungsstabs German Maritime Forces (DEU MARFOR) den Grundstein gelegt. CTF BALTIC baut auf diese bereits etablierte Führungs- und Fähigkeitsstruktur auf. Mit DEU MARFOR als personellem Kernstab profitiert es zusätzlich von dessen militärischen Erfahrungen und regionaler Expertise in der Ostsee.

Im Grundbetrieb, dem so genannten Peacetime Establishment (PE), kann der Stab bis zu 180 Dienstposten umfassen. Das befähigt den Stab, Koordinierungs- und Führungsaufgaben sowie die Operationsplanung auf oberer taktischer Ebene zu übernehmen. Bei Aktivierung im Krisen- und Konfliktfall kann der Stab auf bis zu 240 Dienstposten aufwachsen. Dann im sogenannten Crisis Establishment (CE) wird der Stab zusätzlich durch nationales Personal aus den Abteilungen des Marinekommandos und darüber hinaus durch zusätzliche multinationale Unterstützung aufwachsen.

Das zusätzliche Personal generiert sich unter anderem aus Experten aller relevanten Felder der Seekriegführung, aber auch teilstreitkraftgemeinsame und -übergreifende Expertise ist abgedeckt. So stärkt der Aufwuchs die Fähigkeiten von CTF BALTIC in Sanitätsdienst, Cyber- und Informationsraum, Rechtsberatung sowie Geoinformationsdienst. Die tatsächliche Personalstärke und benötigten Fähigkeiten sind vom operativen Bedarf basierend auf dem konkreten Auftrag abhängig.

Das Personal des Stabs Commander Task Force Baltic ist zur Aufstellungszeremonie CTF BALTIC angetreten. (Alle Fotos: Bundeswehr/Nico Theska)
Das Personal des Stabs Commander Task Force Baltic ist zur Aufstellungszeremonie CTF BALTIC angetreten. (Alle Fotos: Bundeswehr/Nico Theska)

Regional engagiert und multinational unterstützt

Neben der Expertise aus den nationalen Streitkräften setzt CTF BALTIC als Stab verstärkt auf multinationale Beteiligung. Eine enge Zusammenarbeit und Vernetzung mit anderen Nato-Partnern, insbesondere aus der Ostseeregion, ist von vornherein Teil des Aufbaus dieses Hauptquartiers. Die Deutsche Marine erhält dabei personelle Unterstützung nicht nur von den Ostseenationen Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden, sondern auch weiteren Partnern, die ein besonderes Interesse an der Region haben – wie zum Beispiel Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Norwegen und sogar Italien. Insgesamt sind bis zu 60 multinationale Dienstposten im Hauptquartier vorgesehen. Vom ersten Tag an sind alle Soldatinnen- und Soldaten, Deutsche und multinationale, vollständig in die gemeinsame Aufgabenerfüllung und Verteidigungsplanung integriert.
Autor: Ricardo Rosendo Patricio

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